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by reinhard storz

 


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Evan Roth (US), Personal Internet Cache Archive, 2010

Link: evan-roth.com

     
 

Evan Roths «Personal Internet Cache Archive» zeigt die Images, die Roths Computer automatisch im Cache speichert, wenn er mit dem Browser eine Website öffnet (evan-roth.com). Jeder, der im Netz unterwegs ist, wird so zum Sammler ohne Zutun und Wissen. Deswegen auch der Name für diesen Speicherort, der im Französischen «Versteck» bedeutet. Dort findet man ein detailliertes Tagebuch seines Online-Lebens, das allerdings aus Bildern besteht, an die man sich zum Grossteil gar nicht erinnert. Denn gespeichert werden auch jene Bilder einer Website, die man nur flüchtig oder nie gesehen hat. Dieses Tagebuch sagt einem also nicht direkt, wer man ist, aber wo man war. Und das sagt, ebenso wie die automatisch gespeicherten Adressen der besuchten Websites, immerhin so viel über einen Menschen, dass die Netzgemeinde Sprüche wie diesen hervorbringt: «Dein engster Freund ist, wer deinen Browserverlauf löscht, nachdem er dich tot vor dem Rechner gefunden hat.»
Ernster betrachtet, gewissermassen als Verbindung von Bild- und Archivwissenschaft, lassen sich die nicht wahrgenommenen Bilder im eigenen Tagebuch als eine Form des «optisch Unbewussten» verstehen. So bezeichnete der Philosoph Walter Benjamin einmal die Gesten eines Menschen, die für ihn und andere nicht wahrnehmbar sind, durch den Fotoapparat aber zum Vorschein kommen, weil dieser schneller schaut als das menschliche Auge. Das gewaltige Bild, das Roth aus den verschiedenen Cache-Bildern montiert, ist einerseits eine Sammlung von «Schnappschüssen aus einem bestimmten Zeitpunkt unserer Welt- und Kulturgeschichte», wie es im Ausstellungstext heisst. Andererseits ist diese Montage ein Porträt des Sammlers und hält zugleich dessen Unbewusstes fest. Nicht indem es eine unsichtbare Geste Roths auf das Foto bannt, sondern indem es die Bilder festhält, die Roth auf seinem Gang durchs Internet nicht oder kaum bewusst wahrgenommen hat.

 





 

Evan Roth (US), Personal Internet Cache Archive, 2010 - ongoing. November 9 archive + detail

In the internet era, collecting is no longer something we do by choice: it is an involuntary act that we perform every time we open a web page with our browser. In that moment, the programme automatically memorises a number of elements it deems relatively stable, to avoid having to retrieve them from the server at our next visit. All of this is saved in our browsing history or
“cache”. And apart from the browser, the computer itself stores a record of every sin- gle operation we perform on it. These archives are not based on a conscious act of selection, and while on the one hand they yield an effective, telling por- trait of our daily use of the net and computer, on the other they also keep track of marginal, unintentional material which might even have escaped our notice whilst browsing: advertising banners, web page design details, icons, images regarding news items we did not read, etc. This is the memory that Evan Roth dips into in his project Personal Internet Cache Archive (2010 – ongoing): a series of prints and online works that pre- sent the traces of a day’s web surfing, without selecting or tampering in any way with what the software offers up.