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oben: 3D-Grafiken + Mandelbrot-Menge
Sammlung weiterer 3D-Bildbeispiele unter www.augensound.de


Söke Dinkla: Rezeption und Kritik der digitalen Kunst

Bis in die neunziger Jahre wird der Diskurs über die digitale Kunst von zwei zentralen Argumentationssträngen dominiert: einerseits von der ideologischen Kritik an der Herkunft der Technologie aus dem militärisch-industriellen Bereich, die es offenbar unmöglich macht, eine kritisch-distanzierte Haltung zu eben der Technik einzunehmen, die das künstlerische Material bildet (5) und andererseits von der Kritik an der digitalen Bildproduktion. (6)
Die Kritik des digitalen Bildes, die sich bis in die heutige Zeit fortsetzt, ist ebenso wenig wie eine ausschliesslich ideologisch motivierte Kritik in der Lage, die eigentlichen Potentiale der neuen Kunst zu erkennen. Ihr bleiben sowohl die neuen Formen der kritischen Strategien als auch die ästhetischen Verfahren, die sich bereits seit Ende der achtziger Jahre deutlich abzeichneten, verborgen.
Jede Kritik des digitalen Bildes ist verfehlt, wenn sie verkennt, dass das digitale Bild auf der Verschleierung seiner eigenen digitalen Grundlage basiert. Es täuscht in der Regel (Foto-)Realismus vor, obwohl ihm das Wesen der Fotografie - das Dagewesensein des Bildgegenstands, diese letzte Spur der Wirklichkeit - fehlt. Denn das digitale Bild hat nie eine Vorlage in der Realität besessen. Diese Täuschung bezeichnet Lev Manovich auch als das »Paradoxon der visuellen digitalen Kultur«. (8) Das eigentliche Potential des digitalen Mediums besteht gerade darin, dass das digitale Bild mit wesentlichen Eigenschaften des gewohnten Bildes bricht: denn es ist keine Entität (gegebene Grösse), sondern ein Zustand. Seine Basis ist eine binäre Zahlenfolge, die sich in jedem Moment seiner Existenz verändern kann. Seine eigentliche >bildnerische< Kraft liegt in seiner Operationalität, darin, dass das kalkulierte (errechnete) Bild jederzeit durch menschliche oder automatisierte Eingriffe zu verändern ist. Da das digitale Bild an sich keinen Anspruch auf Authentizität des Dargestellten erheben kann, basiert die Fähigkeit der Wirklichkeitskonstruktion in der digitalen Kultur darauf, wie sich das Dargestellte organisiert und wie es auf Interventionen von aussen reagiert. Prozesshaftigkeit und ständige Veränderbarkeit sind also Wesensmerkmale der digitalen Kultur.

5 So ist Florian Rötzer der Ansicht, dass ein grosser Teil der Computerkunst hinter die selbstkritischen Entwicklungen der Moderne zurückfällt und damit beschäftigt ist, »sich im Vergleich mit den traditionellen Kunstformen zu bewahren [...]. Besonders deutlich wird dies bei Computergrafiken, die auf bestes Papier ausgedruckt und signiert werden.“ Ders., »Für eine Ästhetik der elektronischen und digitalen Medien, in: Jahresheft des Siemens Kulturprogramms, hg. v. Siemens AG, 1990, S. 39-41, S. 39.

6 Horst Bredekamp argumentiert bildtheoretisch und trifft ein vernichtendes Urteil, indem er selbst die Visualisierung einer mathematischen Formel, der Mandelbrotmenge, als »bislang allen Versuchen der Computerkunst überlegen« bezeichnet. Auffallend an der Argumentation ist, dass die Urteile, obwohl sie sich auf die digitale Kunst generell beziehen, ausschliesslich an der digitalen Bildproduktion exemplifiziert werden.

Quelle: Söke Dinkla, Das flottierende Werk. Zum Entstehen einer neuen künstlerischen Organisationsform. In: Gendolla, Peter (Hg.): Formen interaktiver Kunst. Frankfurt 2001


Horst Bredekamp, »Mimesis, grundlos«

Einer solchen Art der Kunstbetrachtung wäre aber das Wesentliche der modernen Kunst geopfert, denn was aus der Mandelbrotmenge optisch umgesetzt wird, ist bezwingender Kitsch. Die Visualisierung dieser Formel ist keine Kunst, sondern digitalisierte Kunsttheorie, eine Etüde über das Verhältnis von Bild und Abbild. Auch als Nichtkunst aber ist sie bislang allen Versuchen von Computerkunst überlegen.

Ein ähnlich absurdes Bild bietet die Virtual Reality des Cyperspace. Seit der Antike versucht die bildende Kunst, Natur nachzuahmen, sei es ihrer Oberfläche, sei es ihrer Schöpferkraft nach. Mit der Entdeckung der Zentralperspektive war das Problem euklidischer Räume gelöst, und originellere Bestrebungen wie die der Kerker Piransis haben versucht (s.u.), dieses Gefängnis der Stereometrie aufzubrechen. Im Widerspruch zu den mathematischen Möglichkeiten, den Computer mit mehr als dreidimensionalen Räumen spielen zu lassen, kehren die momentan geläufigen Versionen virtueller Räume jedoch sowohl den kunsthistorisch gewachsenen wie mathematisch erdachten Prozess wieder um. Ihre Hauptanstrengungen sind darauf gerichtet, den Kunstraum immer wirklichkeitsgetreuer zu machen - von den Stangen- und Rasterräumen der frühen Computerspiele bis hin zu perfekt nachgebildeten Landschaften der Flugsimulation. Insofern verdeckt die Äusserung von Dorothea Frank: "Virtual reality is at its best now, because it is still all virtual" den Sachverhalt, dass sich die erkennbare Künstlichkeit der Cyber-Räume nicht etwa einem kritischen Formwillen verdankt, sondern dem zufälligen Umstand, dass die Rechenleistungen für ein naturgetreues Interieur noch nicht ausreichen.

Quelle: Horst Bredekamp, »Mimesis, grundlos« in: Kunstforum International, Bd. 114, 1991, S. 278-288, S. 284


Manovich, Lev, »Die Paradoxien der digitalen Fotografie«

Ebenso wie die mittelalterlichen Meister der Malerei ihre Geheimnisse hüteten, hüten die heutigen führenden Computergrafik-Unternehmen sorgfältig den Auflösungsgrad ihrer simulierten Bilder. Sind die computergenerierten Bilder erst einmal mit Filmbildern kombiniert, werden zusätzliche Tricks benutzt, um ihre Perfektion zu reduzieren. Mit Hilfe bestimmter Algorithmen werden die harten Kanten der computergenerierten Objekte weicher gemacht. Ein kaum sichtbares Rauschen wird dem Gesamtbild hinzugefügt, um die computergenerierten und filmischen Elemente noch stärker ineinander übergehen zu lassen. Manchmal lässt man, wie im Endkampf der beiden Hauptdarsteller in Terminator 2, eine Szene in einer bestimmten Umgebung stattfinden - in diesem Fall eine rauchende Fabrik -, was den Einsatz von Rauch oder Nebel rechtfertigt, damit die Verschmelzung besser gelingt.
Während wir normalerweise davon ausgehen, dass synthetische Fotografien, die mit Hilfe von Computergrafik hergestellt werden, im Vergleich zu wirklichen Fotografien von minderer Qualität sind, so sind sie in Wirklichkeit zu perfekt. Darüber hinaus sind sie aber paradoxerweise auch zu real. Das synthetische Bild entbehrt sowohl der Beschränkungen des menschlichen Blickes als auch derjenigen des Kamerablickes. Es kann eine unbegrenzte Auflösung und ein unbegrenztes Mass an Detailtreue haben. Es ist frei vom Effekt der Tiefenschärfe, der unvermeidlichen Folge beim Gebrauch von Objektiven, und daher erscheint alles scharf. Es ist auch nicht körnig und daher frei von der Schicht des Rauschens, die im Film und in der menschlichen Wahrnehmung entsteht. Seine Farben sind satter und seine scharfen Kanten gehorchen der geometrischen Ökonomie. Aus der Perspektive des menschlichen Blickes ist es hyperreal, und dennoch ist es völlig realistisch: Es ist einfach das Ergebnis eines anderen Sehvermögens, das perfekter als das menschliche ist.
Aber um wessen Sehvermögen handelt es sich? Es ist das Sehvermögen eines Cyborg oder eines Computers, eines Robocops oder eines automatischen Flugkörpers. Es ist die realistische Repräsentation des menschlichen Blicks in der Zukunft - eines durch Computergrafik verbesserten und vom Rauschen gereinigten Blicks. Es ist das Sehvermögen eines digitalen Rasters. Das synthetische, computergenerierte Bild ist keine schlechtere Repräsentation unserer Wirklichkeit, sondern die realistische Repräsentation einer anderen Wirklichkeit.

Quelle: Manovich, Lev, »Die Paradoxien der digitalen Fotografie«, in: Fotografie nach der Fotografie, hg. v. Hubertus v. Amelunxen u. a., Dresden/Basel 1995, S. 58-66.


Giovanni Battista Piranesi
(1720-1778)
italienischer Architekturtheoretiker,
Berühmtheit bis heute erlangte Piranesi vor allem mit den sechzehn Platten der Carceri (Kerker) von 1745, durch Bühnenbilder angeregte Architekturphantasien, die das auch in den Veduten spürbare Gefühl von Einsamkeit, verbunden mit Monumentalität, auf die Spitze treiben. Sie beeinflussten den Gefängnisneubau in Newgate 1770, wurden in Kopien zur Darstellung der Schrecken der Bastille verwendet und haben schließlich noch in der Filmarchitektur des 20. Jahrhunderts ihre Spuren hinterlassen.



Virtual Reality Modeling Language (VRML)

Architects today have at their disposal this tool: Virtual Reality Modeling Language. Its significance and importance however is not its potential for re-presentation of built space as we know it nor is it the technology to merely entertain us with virtual visits. Instead, what might intrigue us as architects is the revisiting of the problematic of perception, formation of meaning, perspectival certainty, plasticity and form coupled with the procedures of dislocation, disembodiment, illusion and distraction.

VRML experiments now found throughout the web seem to be conspicuously devoid of architectural 'content' and for the most part are essentially disembodied presences. How, then, does the 'architect' engage this tool? Can the production of simultaneously 'occupied' and tranformational space reveal a new spatiality? Does the aspect of record, memory and mutation afford any spatial possibilities for architecture? Is the transmission of spatiality a form of information exchange particular to our time?

Columbia University, GSAP New York. Projekt Informing-Interiorities
Link auf der Website des Architektur-Zentrums Wien (www.azw.at)
http://www.azw.at/otherprojects/soft_structures/columbia/mainframe_columbia.htm
(Das 3D-Plugin von Cortona® VRML ist in den heutigen Browsern bereits enthalten).


VRML-Projekte von:

Alexander Minx
Jenai Medina
Mariano Desmaras
Miriam Torre
Winai Chairakpong


A Critical History of Computer Graphics and Animation
Text+Bildarchiv zur Geschichte der digitalen Grafik