Überwachung / Opensource + Copyleft / GPL-GNU-Linux / Urheberrecht CH
von Reinhard Storz

Ein prominentes Merkmal der digitalen Technologie ist die einfache und weitgehend verlustfreie Kopierbarkeit der Daten: Texte, Bilder, Filme und Musik lassen sich gewissermassen mit einem einfachen Fingerschnippen an der Maus vervielfachen.
Tatsächlich ist das Kopieren von Software, Sound- und Filmmaterial, etwas versteckter wohl auch von Bildern und Texten (Gedanken und Formulierungen) zu einem auffälligen Phänomen geworden. Bei illegalem Kopieren spricht man von Piraterie.
Man kann das Phänomen aber auch von der anderen Seite anschauen: Microsoft wurde in den letzten Jahren immer wieder verdächtigt, in ihrer Software Code eingefügt zu haben, welche unser Verhalten am PC ausspioniert und diese Informationen an die Firma weitersendet. Und vor nicht allzu langer Zeit wurde Sony überführt, dass mit dem Kopierschutz ihrer Musik-Cds eigentliche Spionage-Software auf dem Rechner des Musikkäufers installiert wurde.
Opfer sind wir auch bei den Spam-Mails und bei der Telefonwerbung - da werden Sammlungen von Mailadressen und Kundenprofilen angelegt. Wenn man in der Schweiz an die sog. Fichen-Affäre von 1989 zurückdenkt, kann man sich auch vorstellen, dass auch der "Staatsschutz" die neuen Kommunikationsmedien zur Datenbeschaffung benutzt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Geschichte der Verschlüsselungssoftware, etwa von Pretty Good Privacy (PGP), welche Phil Zimmermann 1991 ins Netz gestellt. (Vgl. Simon Singh: Geheime Botschaften. Die Kunst der Verschlüsselung von der Antike bis in die Zeiten des Internet. München: Hanser 2000, S.353 f.)
Unter den Begriffen 'Trusted Computing' oder DRM (Digital Right Managment) arbeiten heute die Computerfirmen an Plänen für eine Computerarchitektur, in der sich kein Bit ohne Erlaubnis des Betriebssystems und der verwendeten Programme vermehren kann. Bei Microsoft läuft diese Entwicklung unter dem Namen Next Generation Secure Computing Base. Diese Software-Architektur wird neben sich nur Programme dulden, deren Herkunft einwandfrei geklärt ist. "Die Welt des Trusted Computing lässt sich mit einem Polizeistaat vergleichen: Jedes Bit muss stets Reisepapiere mit sich führen und alle paar Meter beweisen, dass es nicht vom rechten Weg abgekommen ist." (S.B., Die Kopierschutzgesellschaft, NZZ 5.12.2003 Nr.283 S.63)
Zuerst (2003) nannte MS diese Technologie „Palladium“. Als sie schnell ein negatives Image bekam, gab man ihr den neuen Namen „ Next Generation Secure Computing Base„ (NGSCB). Dabei wurde gezielt auf eine komplizierte Abkürzung gesetzt, da diese im Gegensatz zur griffigen Bezeichnung "Palladium" schwieriger zu merken und in Diskursen zu etablieren ist. In der Kommunikationstheorie wird schwierigen Begriffe ein geringeres Schlagwortpotential zugeschrieben.
Ein Beispiel für Digital-Rights-Management ist Apples Ipod-Technologie, welche sich nicht auf mp3 sondern auf ein eigenes Format stürtzt. Mit einem Marktanteil gegen 80% kann Apple der Musikindustrie die Bedingungen diktieren.

Zwei Reaktionen von Seiten der Aktivisten:
www.codecheck.ch (von Roman Bleichenbacher, Basel)
www.bigbrotherawards.ch (ursprünglich ein Zürcher Projekt)

Die Frage nach der Legalität oder Illegalität des Kopierens von Daten hat wohl einiges mit einem kulturellen Wandel zu tun. Natürlich hat die Problematik des Copyrights eine Vorgeschichte, auf die ich hier nicht weiter eingehen kann. Immerhin soviel: Mit dem Buchdruck nach 1450 begann das Copyright-Problem für Texte, die Fotokopierer von Xerox und die Tonbandtechnik von BASF stellten das Copyright-Problem vor etwa 50 Jahren auch im Bereich des Privatgebrauchs. Vor etwa 20 Jahren (1984) klärte ein US-Gericht die Haftbarkeit der Hersteller von Videorecordem angesichts der Möglichkeit illegaler Filmaufnahmen. Das Supreme-Court-Urteil befand, dass der Hersteller einer Technologie nicht für deren Verwendung verantwortlich gemacht werden kann. Gestützt auf dieses alte Urteil waren die Klagen der letzten Jahre gegen File-Sharing-Websites wie Napster und Kazaa abgeschmettert worden. An der letzten Sammelklage von 2005 hatten sich immerhin 27 000 Exponenten aus dem Musik- und Filmbusiness zusammengeschlossen. (Vgl. NZZ. 1.7.2005. Nr.151 S.63)

Im Hinblick auf die Copyright-Frage entstand in den letzten Jahren eine Gegenkultur, welche explizit auf eine Geschenk- und Tauschökonomie setzt. Ihr Kommunikationsmedium ist vor allem das Internet. Bekannt wurden ihre Prinzipien unter Begriffen wie Public Domain (öffentliches Eigentum) und Open Source (zugänglicher Programmcode).
Vgl. die Idee von Free und Share Ware.
Dabei entstanden Labels wie GNU/GPL und Linux, aber auch Creative Commons .
Verkürzt gesagt geht es um eine Tauschökonomie, in der man Ideen und Leistungen von anderen gratis übernehmen darf, um mit eigener Leistung zum gemeinsamen Projekt beizutragen (vgl. Linux, Firefox). Und es geht um eine Geschenkökonomie, in der man Produkte von anderen übernehmen darf, z.Bsp. Musik, Software, Bilder, Ideen – sofern man die Quelle oder zumindest den Namen der Urheber angibt. Das ist das Prinzip von Copy Left / Creative Commons.
Während also die Computer- und Unterhaltungsindustrie versucht, mit Softwarepatenten, Digital Rights Management und "Trusted Computing"-Verfahren den Schutz geistiger Monopolrechte weiter auszudehnen, setzt die Copy-Left-Bewegung die Idee dagegen, Wissen sei der gemeinsame Schatz der Menschheit und die Voraussetzung für Entwicklung. (Vgl. die Wikipedia-Idee)

Die neue Urheberrechtsgesetzgebung:
USA: Digital Millenium Act, 1998
EU: Neues Urheberrecht ab 13.9.2003 in Kraft.
Schweiz: gerade jetzt (2006/07) wird über die Revision des UHR / Urheberrechts entschieden

In der Schweiz versucht eine Initiative von KünstlerInnen / Kreativen die Schweizer Politiker durch Informationen und einen offenen Brief über die Interessen der Kultur-Produzenten aufzuklären. (Bisher 509 UnterzeichnerInnen)
www.kunstfreiheit.ch (Auszug aus dem Brief siehe unten)
Vgl dazu die Initiative Stop-Piracy.ch des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (Bei diesem Institut können Sie Erfindungen zum Patent anmelden, Marken registrieren lassen oder ein Design hinterlegen.) Hinter der Stop-Piracy-Initiative stehen viele Unternehmen aus der Privatwirtschaf, aber auch Staatsstellen wie das Bundesamt für Kultur, Privatwirtschaft

In den Anfängen des Personal-Computers (Mitte der 70er Jahre) erhielt man alle Software noch kostenlos, doch spätestens seit 1980, als Microsoft mit dem Betriebssystem MS-Dos ein Quasi-Monopol aufbaute, wurde die Markt-Bedeutung von Software offensichtlich. Von der Seite einzelner Programmierer gab es Widerstände gegen solche exklusiven Monopole. Es macht ja keinen Sinn, alles immer wieder neu zu erfinden und neu aufzubauen. Software kann man weiter entwickeln und verbessern, wenn man ihren Quellcode kennt.
1984 begann der amerikanische Programmierer Richard Stallman (MIT) ein freies Betriebssystem aufzubauen. Das Ziel war die Entwicklung von 'Free Software’ - frei nicht nur im Sinn von gratis, sondern frei verfügbar, als Software ohne Besitzer. Der Quellcode sollte jedem Programmierer für Verbesserungen zur Verfügung stehen. Damit begann sich die sog. Open-Source-Bewegung zu formieren.. Mit Gleichgesinnten gründete Stallman die „Free Software Foundation“ und formulierte als „Copy Right“-Regel die sog. „General Public Licence“ (GPL). Diese erlaubt jedermann die Übernahme und Weiterentwicklung eines Programmes unter der Bedingung, dass er die eigenen Verbesserungen selbst wieder kostenlos der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt.
Viele Leute arbeiteten ohne Bezahlung am neuen Betriebssystem, das auf Elemente aus dem Quellcode von UNIX aufbaute und GNU genannt wurde (Gnu’s not Unix). 1991 fehlte noch das Herzstück, der sog. Kernel, der die einzelnen Software-Eemente von GNU auf jedem Computer betriebsfähig machte.
Und hier kommt der finnische Student Linus Torwalds ins Spiel, der mit 22 Jahren einen solche Kernel entwickelte und ihn auf Anraten eines Freundes Linux nannte Torwalds entschied sich, diesen Kernel unter der Regel des GPL übers Internet zugänglich zu machen. (Das Internet war damals erst an Universitäten und bei Programmierern und Computerfachleuten bekannt. Im selben Jahr, 1991, entwickelte Tim Berners-Lee am CERN in Genf das Protokoll für das www und sein http-Protokoll. (Hypertext-Transfer-Protokoll).

Die Kommunikation über das Internet gab der Open-Source-Bewegung grossen Auftrieb. Bald arbeiteten Hunderte von Idealisten in vielen Ländern an der Verbesserung des Betriebssystems mit. Richard Stallman verglich die Weiterentwicklung von Open-Source-Software mit der Fortentwicklung von Gesängen und Geschichten in oralen Kulturen – sie sind einem steten anonymen Transformationsprozess ausgesetzt. Die Massenmedien und Fans hatten allerdings wenig Interesse an der Anonymität des GNU-Linux-Betriebsystems. Sie erhoben Linus Torwalds zum Helden der Bewegung und bald wurde das ganze Betriebsystem Linux genannt.
Viele Netzaktivisten und Künstler unterstützen heute die Idee des Copyleft / Open Source / Public Domain. Und das nicht nur auf Software bezogen (Browser Bewegung / Software Art / Game Art), sondern für verschiedene Formen von Inhalten (Content). Parallel dazu die DJ- und Sampling-Kultur.

Kürzlich stand in der Presse, dass der Wikipedia-Gründer Jimmy Wales eine Opensource-Alternative für die Suchmaschine Google fordert. Die geplante Suchmaschine soll ihre Ergebnisse so auflisten, dass die von einer Vielzahl von Nutzern am besten bewerteten Webseiten an erster Stelle erscheinen. Wales macht seine Kritik denn auch daran fest, dass Google sein Verfahren für die Bewertung von Webseiten geheim hält. Das Projekt soll im ersten Quartal 07 starten. Es werde jedoch einige Jahre dauern, bis die Suchmaschine eine interessante Alternative zu Google sein könne, erklärte Wales. (NZZ, 19.1.07 S.65)


Ausschnitt aus dem Offenen Brief von Kunstfreiheit.ch

Basel, Zürich, 29.09.2006
An den Budesrat, Rechtskommisssion, Ratsversammlung

Wir sind in Sorge darüber, dass die aktuelle Revision des Schweizerischen Urheberrechts negative Auswirkungen auf unsere Möglichkeiten haben wird, zeitgenössische Vorstellungen von Kunst und Kultur frei weiterzuentwickeln und zu verwirklichen.

Es war und ist eine der Aufgaben der Kunst und Kultur, ihre jeweilige Gegenwart zu kommentieren und kritisch zu reflektieren. Zum breiten Spektrum künstlerischer Methoden gehören auch diejenigen des direkten Aneignens kulturellen Materials, das aus der bildenden Kunst, Filmen, Werbung, Musik, Fernsehen und anderen Quellen stammen kann. Dabei werden Inhalte übernommen, transformiert und zu neuen Werken weiterverarbeitet. Solche Methoden reihen sich nicht nur in die Jahrhunderte alte Geschichte künstlerischer Praxis ein, sondern treiben auch eine aktuelle Auffassung von Kreativität voran. Collage, Appropriation, Remix und verwandte Methoden haben bereits die Kunst und Kultur des 20. Jahrhunderts massgeblich geprägt: Etwa die Dada Künstler des Zürcher Cabaret Voltaire oder später Andy Warhol. Wir können davon ausgehen, dass die Bedeutung solcher Ansätze in der hochmediatisierten Welt des 21. Jahrhunderts noch zunehmen wird.

Die aktuelle Revision des Urherrechts wäre die ideale Gelegenheit, diesen Entwicklungen
Rechnung zu tragen. Sie droht aber in die entgegengesetzte Richtung zu gehen: Anstatt eine
zeitgemässe Balance zwischen Schutz und Zugang zu definieren, werden die Interessen der
traditionellen Verwertungsindustrien einseitig bevorzugt. Besonders problematisch aus unserer Sicht ist die geplante Privilegierung technischer Schutzmassnahmen (Kopierschutz).
Diese machen jede Nutzung bestehender Werke von der Bewilligung des Rechteinhabers abhängig, auch solche, die bisher explizit nicht bewilligungspflichtig waren. Damit droht das Urheberecht die in der Verfassung verankerte Kunstfreiheit ernsthaft zu tangieren.
Ganzer Brief und weitere Informationen unter www.kunstfreiheit.ch


Nochmal einige Adressen/Links:
  • GNU / GPL
  • creativecommons
  • opencontent.org
  • artlibre.org
  • kunstfreiheit.ch
  • openflows.org
  • software art repository
  • Internetrecht
  • Internet Law
  • Urheberrecht Schweiz
  • Geistiger Diebstahl als kuratorische Praxis/ Intellectual theft as a curatorial method

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