Barbara Basting

Stromversorgung für die Medienkunstszene

"Plug In", das Basler Forum für neue Medien, ist online



Basel mausert sich zur führenden Schweizer Medienkulturstadt. Das verdankt sich zunächst einer lebendigen Szene, die sich im Umkreis der Schule für Gestaltung und des Studiengangs für elektronische Musik des Konservatoriums entwickelt hat. Aber auch künstlerische Initiativen wie die seit 1988 bestehende Produktions-Genossenschaft VIA, oder, jüngeren Datums, "Point de Vue", "Hyperwerk", "Koma", "Cargo TV", "Tweaklab" sind daran beteiligt. In Basel wurde 1995 "The Swiss Thing", ein Ableger der bedeutenden New Yorker Netzkultur-Plattform "The Thing" gegründet. Aus diesem wiederum ging der inzwischen recht bekannte Kulturserver "Xcult" hervor.

Diese allmählich gewachsenen Basisinitiativen werden in jüngster Zeit von einer aktiven Kulturpolitik der Stadt flankiert. Dabei weckte vor allem die Übernahme des Medienfestivals "VIPER", das seinen zwanzigsten Geburtstag in Basel und nicht mehr in Luzern feiert, nicht nur positive Emotionen. Das im vergangenen September vom Bundesamt für Kultur ausgerichtete Symposium "Sitemapping", der Versuch einer nationalen Bestandsaufnahme aller kulturellen Initiativen im Bereich der neuen Medien, fand nicht zufällig in Basel statt. In Zusammenarbeit mit der Christoph-Merian-Stiftung, die sich in jüngster Zeit vermehrt für prestigeträchtige Kulturprojekte engagiert - zum Beispiel das Literaturhaus - hat das Basler Kulturdepartement auch ein "Forum für neue Medien" ins Leben gerufen.

Dieses trägt inzwischen den stilvolleren Namen "Plug In" und hat sich an privilegierter Lage in den ehemaligen Räumlichkeiten einer Galerie gleich neben dem Museum für Gegenwartskunst niedergelassen. Annette Schindler, die sich zuvor als Leiterin des Kunsthaus Glarus und des "Swiss Institute" New York profiliert hat, hat die Chance, als erste Direktorin von "Plug In" zusammen mit der administrativen Leiterin Livia Hegner das Unternehmen zu konturieren. Dafür stellen die Stadt und die Christoph-Merian-Stiftung zusätzlich zur Infrastruktur ein Budget von je 75.000 Franken zur Verfügung. Hinzu kommen einmalige Beträge zwischen 100.000 und 600.000 Franken für Umbauten, Geräte und Projekte. Weitere Mittel muss "Plug In" selber auftreiben. Der Vorstand - Vorsitzende ist die Basler Videokünstlerin Käthe Walser - wird dabei nach Kräften mitwirken.

Annette Schindler beginnt ihre Arbeit in einem Umfeld, in dem schon fleissig mit Bits und Bytes jongliert wird. Das bereitet ihr allerdings kein Kopfzerbrechen. "Die Institutionen sollen sich ergänzen, nicht konkurrenzieren - so zumindest möchte ich mich verhalten. Ebenso wie es in Basel für Gegenwartskunst verschiedene Institutionen gibt, scheint es mir gerechtfertigt, dass für die Medienszene verschiedene Institutionen mit unterschiedlichen Ausrichtungen und Profilen existieren." Mit "Plug In" soll auch die internationale Szene angepeilt werden. Darüber hinaus spielt die Anbindung virtueller Projekte an den realen Raum eine wichtige Rolle. Die Räumlichkeiten von "Plug In" sollen ein Ort der Begegnung und Vermittlung werden, neudeutsch: eine Schnittstelle und vielleicht Energiequelle, nimmt man den Namen wörtlich.

"Plugins" sind aber nicht nur Stecker, sondern auch jene kleinen, nach Bedarf installierbaren Softwarebausteine, die es ermöglichen, audiovisuelle Animationen im Internet zu realisieren und zu rezipieren. In Analogie dazu sieht das Basler Pilotprojekt einen schrittweisen Aufbau aus verschiedenen Komponenten vor. Schindler will keinesfalls im "copy-paste Verfahren ein bestehendes Konzept implementieren." Den typischen Cyber-Slang hat die theoretisch beschlagene Leiterin trotzdem schon ziemlich gut drauf. Im Klartext: Plug-In will etwas völlig Neues sein.

Weil das Netz ein Ort für Dialoge und ein Marktplatz der Ideen ist, will die Leiterin auch die Aufbauphase partizipatorisch gestalten. Sie lädt Leute ein, die in der Medienkunstszene etwas gelten - kein unübliches Vorgehen in einer Konzeptphase. Neu daran ist, dass der Erfahrungsaustausch öffentlich stattfindet.

Vergangene Woche hat die englische Medientheoretikerin Sadie Plant den Anfang gemacht. Sie vertritt die optimistische These, die neuen Medien könnten bestehende Hierarchien und Machtverhältnisse unterlaufen und umdefinieren. "Diese Position interessiert micht besonders, ohne dass ich davon ausgehe, sie sei die einzig richtige", erklärt Schindler. "Plug In" soll nicht nur eine Drehscheibe für die künstlerische Auseinandersetzung mit neuen Medien sein, sondern inhaltliche Anliegen vertreten. Fragen nach Machtstrukturen, die auch die derzeitigen Debatten in der Netzkultur prägen, stehen ebenso wie solche nach Identitätsverhältnissen zunächst im Zentrum.

International gibt es im Bereich der Neuen Medien schon einige idealistische und innerhalb der Netzgemeinschaft gut bekannte Kulturinitiativen. Die meisten von ihnen arbeiten unter finanziell prekären Verhältnissen. Zwei von ihnen sind akut gefährdet, die "Public Netbase t0" in Wien und "Ljudmila" in Ljubljana. Es ist ein kluger Schachzug von Schindler, in der Konzeptphase und während der VIPER Vertreter beider Plattformen einzuladen. Damit zeigt sie Flagge und sichert sich die für ihr Projekt nicht ganz unwichtigen Sympathien der engagierten Netzgemeinde.

Momentan sind die Räume von "Plug-In" noch leer bis auf Schreibtische, Computer und Bücherstapel. Schindler will den Raum auch in Zukunft nicht möblieren, sondern zunächst für die "schmerzhaft ungewisse Konzept- und Entwicklungsphase" von Erik Schuhmacher einen "hybriden Raum" entwickeln lassen, der die üblichen Erwartungshaltungen der Besucher bricht und signalisiert, dass einen hier neue Erfahrungen erwarten. Für die fernere Zukunft schweben ihr mehrere flexible "Sets" vor, zu denen eine Bar, ein Kinoraum, auch Büro gehören könnten, die bei Bedarf auch mal für eine raumfüllende Ausstellung ganz verschwinden könnten. "Der Raum soll diesen Charakter vieler temporärer Scheinwelten haben".

Scheinwelten hin oder her, "Plug In" wird wirkliche Aufträge an Künstler vergeben, sich mit den komplexen Fragen des Sammelns von Medienkunst auseinandersetzen und versuchen, viele Besucher mit den Reizen, aber auch den Fragen zu konfrontieren, die die Medien mit sich bringen. Und es wird hoffentlich, anders als "Public Netbase" oder "Ljudmila", auch dann noch gefördert werden, wenn das subversive Potential des World Wide Web subversiver sein sollte als erwartet.


http://www.iplugin.org

www.ljudmila.org
www.t0.or.at