Florian Cramer

Der Glaube, Dein Feind und Helfer

Wie Mario Mentrup Neoismus erfand - Siebzehn bunte Bilder und siebzehn Wörter



von Florian Cramer, dem vorletzten Erfinder des Neoismus

"Der Glaube ist der Feind" heißt Stewart Homes Lieblingsspruch, eine Aussage, die sich selbst widerlegt, weil sie die Gleichheit zweier ungleicher Begriffe behauptet und also selbst "Glauben" herstellt. "Glaube" ist auch kein "Feind" in Stewart Homes Historisierung des Neoismus. Es ist die Ironie dieser Historisierung, daß sie Vorstellungen voraussetzt, die sie angeblich attackiert. Und so behauptet sie sich, weil sie glaubwürdig erscheint.

Nach eigener Auskunft wurde Stewart Home 1984 Neoist und erklärte 1985 seinen Austritt. Stewart Homes neoistische Liaison war produktiv, weil er die alte multiple Identität Monty Cantsin belebte und neue Namen ­ die Zeitschrift SMILE, die Band White Colours ­ im Neoismus aufgehen ließ. Für seine Trennung vom Neoismus gibt Stewart Home verschiedene Gründe an, so auch den "Gebrauch faschistoiderv Symbole durch einige Neoisten". Was Stewart Home nicht davon abhielt, in seinem "Programme of the Neoist Alliance" eine kulturpolitische Streitschrift britischer Faschisten zu plagiieren. Die "Neoist Alliance" deren einziges Mitglied Stewart Home ist, gibt es seit 1993, und sie hat nach Stewart Homes eigenen Worten "nicht das geringste mit dem alten neoistischen Netzwerk zu tun". Wenn also "faschistoide Symbole" keinen Bruch zwischen Stewart Home und dem "alten neoistischen Netzwerk" herbeiführen konnten, waren es vielleicht persönliche Eitelkeiten und notorische Animositäten mit dem ungaro-amerikanischen Neoisten Istvan Kantor, Animositäten, die Stewart Homes Neoismus-Geschichtsbücher "The Assault on Culture" und "Neoism, Plagiarism and Praxis" durchsetzen bis zur Lächerlichkeit. Zu Beginn seiner neoistischen Laufbahn hatte Stewart Home den "selbsternannten Führer der Lower East Side" vorbehaltlos ernstgenommen und gegen interne Kritiker wie Peter Below verteidigt ­ bis er schockiert feststellen mußte, daß Kantor "so überzeugt war, Monty Cantsin zu sein, wie andere Geistesgestörte glauben, sie 'seien wirklich' Jesus Christus, der Weihnachtsmann oder Ludwig XIV." Stewart Home übersah jedoch, daß gerade dies Kantors größte Errungenschaft war.


Da die Neoisten eine Situation schaffen wollten, in der Neoismus zu deÞnieren keinen Sinn mehr machen würde, beweist Homes Versuch, Neoismus durch HistoriÞzierung totzuschreiben, wie gut er seine neoistische Lektion gelernt hat. In ihrer Besessenheit, die "Wirklichkeit zu justieren", produzierten auch die übrigen Neoisten nichts als Manipulationen ihrer und anderer Geschichten.

Als erster und bislang einziger Neoist hat Stewart Home es geschafft, eine Geschichte des Neoismus auf den Buchmarkt zu stemmen und noch die trivialsten seiner Schreiblaunen im Paperback zu recyclen. Das gelang ihm, weil seine Texte an Vertrautes anknüpfen: die Rhetorik futuristischer, dadaistischer und situationistischer Manifeste, an die sattsam bekannte romantische Verdoppelungsästhetik, umgerührt und angereichert mit vulgärmarxistischer Ideologie. Doch zunehmend wendet sich Stewart Homes Wahllosigkeit gegen ihn selbst. Sein Versuch, mit Okkultismus-Ironisierung in den '90er Jahren so zu reüssieren, wie in den '80ern mit Avantgarde-Ironisierung, scheitern an vergleichsweise schwacher Quellenkenntnis, plagiatorischem Ungeschick und der zufälligen Konkurrenz zur London Psychogeographical Association, die ihn, ohne danach zu trachten, im selben Spiel furios schlägt. Und doch formuliert die bloße Existenz der "Neoist Alliance" eine interessante Frage: Kann "Neoismus", der Spielplatz multipler Identitäten und ungehemmter Paradoxien, einen zweiten Neoismus aushalten, der behauptet, nicht Neoismus zu sein?


WELTRAUMKUNDE EINS, ERKLÄRUNG DER PLANETEN


Mario Mentrup nennt Neoismus einen "Zusammenschluß von Punk- und Mail Art-/Fluxus-inspirierten Künstlern". Das ist, aus neoistischer Sicht, ebenso "falsch" wie "richtig" richtig, weil es "Wahrheit" als Effekt rhetorischer Manipulationen vorführt. Die ErÞndung des Neoismus datierte dessen selbsterklärter Historiker Stewart Home auf 1346 und schrieb sie einem Wolfgang von Cantsin zu. Andere Versionen, auch solche aus Stewart Homes Feder, vermuten die neoistischen Anfänge in den späten '70er Jahren, als, so die Legende, David Zack den multiplen Popstar Monty Cantsin erfand. Stewart Home stieß 1984, während des 8. Neoistischen Apartment Festivals, zum Neoismus. Glaubt man Stewart Homes Geschichtsschreibung, so befand sich der Neoismus damals schon in "Auþösung". Die Neoisten selbst behaupten sogar, "Neoismus" habe nie existiert und sei eine bloße ErÞndung seiner Gegner, der Anti-Neoisten, und ihres prominentesten Exponenten, Stewart Home.


Daß Neoismus, wie Mario Mentrup schreibt, eine Kunstbewegung sei, würden jedoch die einen wie die anderen Neoisten bestreiten. Im System "Kunst" ist Neoismus völlig irrelevant, denn seit 1346 produziert er nichts als sich selbst und hat keinen Wert, denn vielleicht als Karrieremythos für Underground-Literaten. Deshalb ist Neoismus auch nicht "Anti-Kunst". "Anti-Kunst" ist "Kunst", weil sie mit "Kunst" in ein dialektisches Verhältnis tritt
und dabei jene Widersprüche bloßlegt, die "Kunst" verbirgt. "Anti-Kunst" existiert nur im System "Kunst". Außerhalb dieses Systems ist "Anti-Kunst" keine "Anti-Kunst", sondern Pissoirs und Flaschentrockner.


Neoismus ist ein PräÞx und SufÞx ohne Wortstamm. Neoistische Namen wie "Monty Cantsin", "Akademgorod" und "Neoismus" werden nicht als arbiträre, sondern als natürliche Zeichen angesehen. So wirkt alles, was mit diesen Zeichen geschieht, unmittelbar auf die Dinge, für die sie stehen. Neoismus war zunächst nichts anderes als eine Ansammlung privater Ironien, die mit Symbolen und Emblemen, Fabeln und Allegorien ausgeschmückt wurden und nur Eingeweihten verständlich waren. Später, vielleicht durch Revolutionen, gingen diese verschlüsselten Bedeutungen verloren, und man hielt die Codes selbst für das Codierte. Da die Zeichen offensichtlich etwas zu bedeuten hatten, blieb es den Neoisten überlassen, die geheimen Bedeutungen neu zu erÞnden. Die entlegensten Analogien zwischen Zeichen und Dingen wurden konstruiert, bis Neoismus eine Kunst einträchtiger Zwietracht und zwieträchtiger Eintracht wurde, ein geschlossenes System Þxer Ideen. Sein großes Versprechen, Materie, Raum und Zeit nach Willen zu beeinþussen, die erhabene Feierlichkeit seiner Verkündungen wirkten nachhaltig auf all jene, die das Licht der Vernunft noch nicht erblickt hatten.


PLAGIATOREN, NOCH EINE ANSTRENGUNG, WENN IHR NEOISTEN WERDEN WOLLT

Neoisten etablierten die multiple Identität Monty Cantsin, um die Widersprüche einer Figur zu leben, die eins ist und viele. Sie erkunden die Aporie einer Subjektivität des "sowohl/als auch" und des "weder/noch"; eine Subjektivität, die sich ihres dialektischen Fundaments entzieht. Stewart Home erfand Karen Eliot als vielfaches Autorenpseudonym, Luther Blissett tauchte auf und wurde zum kollektiven Phantom. Jeder der drei Namen steht also für ein anderes Konzept. Obwohl Stewart Home Karen Eliot als bloße Signatur konzipiert hatte, ist ihr Name so eng und so lose mit Stewart Home verknüpft, wie man einmal Monty Cantsin mit der Person Istvan Kantors assoziierte und disassoziierte, oder wie Luther Blissett mit den italienischen Transmaniacs in Verbindung gebracht wird. In den Büchern "Neoist Manifestos" und "Neoism, Plagiarism and Praxis" verkehrt Stewart Home seine neoistisch-plagiatorische Identitätspolitik in eine Farce, indem er neoistische Texte nachträglich als sein Werk identiÞziert, Texte, deren erste Versionen unter multiplen Namen in anonymen Publikationen erschienen waren und die selbst multiple Namen propagieren. Für seine heutigen
Aktivitäten benutzt Home weder den Namen Karen Eliot, noch Monty Cantsin, und keine seiner Romane und Sachbücher, die ihn zum Underground-Literaten machten, ist jemals unter einem multiplen Namen erschienen.


Stewart Homes HistoriÞzierung des Neoismus in Büchern wie "The Assault on Culture" und "Neoism, Plagiarism and Praxis" ist so inakkurat und manipulativ wie alle neoistischen Selbsthistorifizierungen, wie jede Erzählung bekanntlich inakkurat und manipulativ ist. Daß Home den Großteil dessen, was er als "Geschichte des Neoismus" verkauft, nicht selbst erlebt hat, und kanadischen Neoisten wie Napoléon Moffat, Tristan Renaud, Kiki Bonbon, Boris Wanowitch und Gordon W., die ebenso zentrale wie mißliebige Positionen in seiner neoistischen Geschichtsschreibung einnehmen, weder persönlich begegnet ist, noch jemals in Kontakt zu ihnen stand, daß er die Arbeit der Nachfolgegruppen .(La Société de Conservation du Présent) und Le Groupe Absence nicht kennt, auch weil er kein Französisch liest, weshalb selbst seine HistoriÞzierungen der Situationistischen Internationale nur auf der schmalen Textkost von Ken Knabbs situationistischem Reader beruhen ­ dies alles wäre amüsant und sehr neoistisch, würde Stewart Home sich nicht im Überlegenheitspathos des hegelianischen Geschichtsschreibers ergehen und würden es seine Leser nicht bereitwillig schlucken. Dabei enttäuscht Homes "Assault on Culture" als Flickwerk von Aphorismen, das an seiner großen Geste scheitert. So entlarvt sich das Buch als Produkt jener "Lumpenintelligenz", die es verhöhnt. Denn die Dialektik der Begriffe, die der Autor unter Beschuß nimmt, untergräbt seine Kritik: Obwohl das Buch behauptet, "Kultur" zu verhandeln, zerlegt es diesen Begriff nicht, sondern zementiert ihn im feuilletonistischen Sinne von "Kunstbetrieb". So entstehen Wortwindungen wie der "cultural worker", den auch Stewart Home, hätte er das Wort "Kultur" reflektiert, als Tautologie erkennen müßte. Ein Begriff, der ohnehin nur untermauert, was er zu ersetzen vermeint. Während "Der Anschlag auf die Kultur" sich selbst widerspricht, weil jeder "Anschlag" nunmal kulturell ist, hätte "Der Anschlag auf den Kunstbetrieb" das Projekt zutreffender beschrieben und seine terminologische Unpäßlichkeit offenkundiger ausgestellt.

DIE FAUST VON SODOM

Stewart Homes Geschichte ist vor allem dort manipuliert, wo sie eine Verbindung zwischen Situationismus und Neoismus unterstellt. Anders als viele neoistische Manipulationen ist sie kein Witz, der sich selbst aushebelt. In situationistischen Kleidern konnte Neoismus popularisiert und einem linksakademischen Publikum, der ominösen "Lumpenintelligenz", schmackhaft gemacht werden. In situationistischen Kleidern erschien Neoismus plötzlich "radikal" und "hip". Bis heute fußt die gesamte Popularität des Neoismus und das gesamte Wissen über ihn auf diesem Etikettenschwindel. Man könnte ihn neoistisch goutieren, würde er "Neoismus" nicht mit einer einer politischen Teleologie und Theologie überziehen, die seine Ironien abwürgt.

Von der Situationistischen Internationale hatte, vor Stewart Homes HistoriÞzierung, kaum ein Neoist auch nur gehört. Die politischen Bekundungen der meisten Neoisten erschöpften sich in demonstrativem Nihilismus und totalitären Posen. Der Vergleich mit Stewart Home, dem Underground-Literaten, drängt sich da auf. Und doch bleiben Stewart Homes Skinhead-Posen so oberþächlich wie die Behauptung, seine Programme böten nur Negationen und keine Alternativen. Im Gegenteil ­ in allen Stewart Home-Werken þorieren die Programme der Umverteilung von Besitz, der polymorphen Sexualität, der Defragmentierung von Wirklichkeit und andere reduktive Linksplatitüden, die das Leserproletariat mit Langeweile peinigen.

Die "Anarchisten" und "Post-Situationisten" sind der Ballast, den sich Stewart Home, der selbsterklärte "britische Patriot" und "nationale Sozialist", freiwillig angehängt hat, seitdem er seinen eigenen Laden unter Labels wie "Plagiarism", "Art Strike" oder "Neoist Alliance" betreibt. Trotzdem paßt Neoismus nicht in "anarchistisches" und "post-situationistisches" Wunschdenken. Der neoistische Slogan "It's always six o'clock" zum Beispiel geht auf einen Volkssport der Montrealer Neoisten um Kiki Bonbon und Reinhardt U. Sevol zurück, die jeden zusammenschlugen, der sie auf der Straße nach der Uhrzeit fragte. tENTATIVELY, a cONVENIENCE und einige Ostküsten-Neoisten stellten die Wahlkampftruppe des "friendly fascist" Vernim Supreme in Baltimore. Die Groupe Absence um Jean Joseph Rolland Dubé und den Design-Unternehmer John Berndt verÞcht einen radikalen Freihandels-Kapitalismus, während der Monty Cantsin-Pate Dr. Al Ackerman den Slogan "Total Freedom" seines ehemaligen Studienfreunds und Schriftstellerkollegen L. Ron Hubbard auch im Neoismus salonfähig machte.

ICH SAGE JETZT IMMER DIE WAHRHEIT

Mäßig erfolgreich propagiert Stewart Home eine "historische Abfolge" vom Neoismus zu den sogenannten "Plagiats- und Kunststreik-Bewegungen", obwohl er weiß, zu gut weiß, daß letztere keine "Bewegungen", sondern Debatten waren. Sie wurden von Leuten geprägt, denen es fern lag, sich "Plagiatoren" oder "Kunststreikende" zu nennen. Fast alle "Mitglieder" dieser vermeintlichen "Bewegungen" kamen aus dem Mainstream der Mail Art. Sie trugen weder Substantielles zur Debatte bei, noch zogen sie irgendwelche Konsequenzen für sich und ihre Arbeit. Nicht nur in den USA und in England, sondern auch im Prenzlauer Berg, wo Olaf Rother in den frühen '90er Jahren eine Kunstgalerie unter dem Namen "Art Strike Café" betrieb. Die exponiertesten Streik-Aktivisten in den Vereinigten Staaten verstanden den Kunststreik als Fegefeuer im Geiste eines libertären Humanismus und gaben Losungen aus wie "How can you have shows when people even don't have shoes" oder "The whole point is that life during the strike is going to be more creative, not less". Während des Streiks organisierten sie eine juryfreie Ausstellung gegen den Golfkrieg und beteiligten sich maßgeblich am "Decentralized Networker Congress" von 1992; Aktivitäten also, die jedem, dem das logische Paradox eines "Kunststreiks" halbwegs aufgegangen war, zumindest unbedarft erscheinen mußten. Doch die meisten Beteiligten sahen, mit geringer Begeisterung für den ideologischen Überbau, im Plagiats- und Kunststreikdiskurs eine theoretische Rechtfertigung ihrer Mail Art und Xerox-Collagen, während sich Pro- und Postsituationisten den Streik als linksradikalen Aktionismus zu eigen machten, ohne sich lange mit seinen Widersprüchen aufzuhalten. Mit diesen Widersprüchen paßte die Kunststreik-Kampagne nahtlos in die typische Kombinatorik und Inkohärenz des Neoismus ­ und wurde, wie auch der "Plagiats"-Diskurs, zu seinem letztlich afÞrmativen Absprengsel.

Der Kunststreik vom ersten Januar 1990 bis zum ersten Januar 1993 war vor allem eine Provokation der Party-Bohemiens, die sich "Künstler" nennen und, im schlimmsten Fall, "Kunst" mit "Leben" verwechseln. Jeder, der dieses Niveau hinter sich gelassen hatte, konnte sich vom Streikaufruf gar nicht angesprochen fühlen. Auch Stewart Home hielt sich nur bedingt an seine Vorgaben. 1991 erschien sein Roman "DeÞant Pose", den er angeblich in den letzten Sekunden des 31. Dezembers 1989 vollendet hatte, sowie der Sammelband "Neoist Manifestos/The Art Strike Papers". Dabei hatte sein eigener Streikaufruf verlangt, "keine Werke mehr zu schaffen, zu vertreiben, zu verkaufen, auszustellen oder zu diskutieren". Nachdem auch John Berndt den Streik aus Lustlosigkeit abbrach, blieb der einzige konsequente Kreativitätsverweigerer Tony Lowes, ein irischer Mail Art-Aktivist, dessen Pamphlet "Give up Art, Save the Starving" schon Jahre vor Stewart Homes Kampagne zirkulierte. So stimmt Mario Mentrups Diagnose, daß der Kunststreik ein Erfolg für Stewart Home war, und das, obwohl kritische Kombattanten gehofft hatten, mit dem Kunststreik die Recyclingästhetik der von Home initiierten und mit schlechter "Kunst" zugemüllten "Festivals of Plagiarism" abzustellen; eine Hoffnung, die sich als heillos naiv erwies.

ERSTE LÜGENGESCHICHTE, ZWEITE LÜGENGESCHICHTE

Doch auch Stewart Homes Wünsche erfüllten sich nur zum Teil. Seine HistoriÞzierung des Neoismus als "unbedeutender Vorläufer der weitaus signiÞkanteren Plagiats- und Kunststreik-Bewegung" (in "Neoism, Plagiarism and Praxis" und "Slow Death") scheitert schon daran, daß es Hardcore-Neoisten wie tENTATIVELY, a cONVENIENCE und John Berndt waren, die diese Kampagnen, z.B. mit dem ersten "Art Strike Action Committee", ins Rollen brachten. Bis zum Abebben der Debatten blieben sie die einzigen Aktivisten neben Stewart Home, die mit eigenständigen Texten und Konzepten wie dem "Festival of Censorship" in Erscheinung traten.

Also mußte Stewart Home "Neoismus" hinnehmen und gemäß seiner eigenen Obsession, der "Avantgarde", ausdeuten. Leider fruchtlos. Indem er Neoismus als quasi-popkulturelle "Bewegung in der Tradition der künstlerischen Avantgarde des 20. Jahrhunderts" rekonstruiert, wählt Home die Geschichte des geringsten Widerstands, maßgeschneidert für konformistische Nonkonformisten, designt, sich in Bücherregalen irgendwo zwischen "Re/search", "T.A.Z." und Kathy Acker einzuÞnden, prädestiniert, das Begriffsfeld "Neoismus" so zu monopolisieren, wie sie es bis heute monopolisiert. Natürlich ist Neoismus als "Bewegung in der Tradition der künstlerischen Avantgarde des 20. Jahrhunderts" völlig lachhaft. Seine eklatantesten Mängel wären damit beschrieben, aber auch, weil das Meßkriterium ­ "Tradition der Avantgarde" ­ in sich absurd ist, die Ironie des ganzen Unternehmens. Statt "Avantgarde" zu sein, zogen es die Neoisten vor, Spekulation zu betreiben. Sie deÞnierten Neoismus als Bewegung, die, wie auch Stewart Home, die Illusion einer Bewegung namens Neoismus erzeugt.

In neoistischer Sicht ist die angebliche Existenz eines Individuums "Stewart Home" so uninteressant wie die Existenz irgendeiner anderen Person ­ unerheblich genug, um sich jede Aporie mit oder gegen diesen Namen zu schenken; um so mehr, wenn Namen, wie alle Wörter, arbiträr sind.