Hans-Christian Dany
Aus einem Gespräch zwischen Hans-Christian Dany, Mitarbeiter von Unser
Fernsehsender (UTV), und Heimo Zobernig am 8.8.1999 in Wien.
HCD: Warum wolltest du eigentlich mit uns arbeiten?
HZ: Als ich auf der On Line-Media, einer Medienmesse in Gent auf UTV stiess,
hat mir der Infostand, den Stephan Dillemuth und Josef Strau dort eingerichtet
hatten, sofort sehr imponiert. Die Materialien kamen vom Sperrmüll.
In einem desolaten Türstock nieselte an Nylonfäden ein märchenhafter
Geldregen. Durch ein Fenster brach die Faust einer verwahrlosten Schaufensterpuppe.
Dazu wiederholte sich aus einem in die Jahre gekommenen Ghettoblaster die
Tonspur einer Szene aus dem Film Network, in der die Menschen, aufgefordert
durch den Talkmaster, die Fenster aufreissen, "Scheisse" hinausrufen.
Dann gab es noch eine Requisitenecke sowie einen Monitor mit Videobeispielen.
Das alles stand in einem grossen Kontrast zur übrigen Medienkunst auf
der Messe.
HCD: Die ästhetische Erscheinung ist schon wichtig, im Vordergrund
steht aber die politische und ökonomische Konzeption.
HZ: Das muss sich ja auch zeigen lassen. Die ökonomische Absicht habe
ich aus dem ästhetischen Auftritt, vorallem aus den Videos, herausgelesen,
die mit schlichten Mitteln das Sendermodell vermitteln.
HCD: Das ökonomische Moment in deiner Arbeit, die maximale Reduktion
der eingesetzten Mittel, hatte ich bis zu dem Zeitpunkt nicht so zentral
gesehen. Genau an dem Punkt haben wir dann gut kooperiert. Für uns
kam diese Minimalisierung erstmal aus einer medienpolitischen Frage, wie
kann mit geringstem Aufwand ein autonomes Fernsehen erfunden werden. Das
daraus resultierende Modell von vielen als utopisch verstanden, anderen
erschien es als praktische Lösung.
HZ: Es gibt ja produzierendes alternatives Fernsehen.
HCD: Vieles an dem Modell UTV war nicht neu, sondern schrieb Entwürfe
wie Bertolt Brechts Radiotheorie aus den zwanziger Jahren oder Theorien
der Gegenöffentlichkeit aus den frühen siebziger Jahren weiter.
Wie bei diesen geht es um eine Aufhebung der Grenze zwischen Sender und
Empfänger - eine Vorstellung von Arbeit, in der die Produktionsmittel
im Besitz der Produzenten sind. Mit Techniken, die uns als Künstler
zur Verfügung stehen, haben wir versucht, diese Entwürfe auf die
gegenwärtigen Bedingungen, speziell das Fernsehen zu übertragen.
Gleichzeitig wirft UTV die Frage nach dem Künstlerselbstverständnis
auf. Die Forderung, jede und jeder soll ProduzentIn werden könnne,
stellt auch das priviligierte Bild des Künstlers in Frage. In gewisser
Hinsicht haben wir uns als Künstler selbst das Wasser abgegraben: In
dieser symbolischen Selbstdekonstruktion sehe ich auch eine Überschneidung
zu deiner Arbeit, auch wenn du ganz andere Angriffsflächen auf deine
Rolle als Künstler wählst.
HZ: Die individuelle Autorschaft bleibt aufrecht und ich bediene mich vorsätzlich
künstlerischer Methoden, aber unter Einsatz möglichst allgemeiner
Standarts, die somit in Gemeinschaft mit anderer, nicht künstlerischer
Praxis steht. Mit hat gut gefallen, wie du in dem Video Hotel Westend (UTV
1996) deine biographische Entwicklung bis zu UTV schilderst, das du als
eine Art Erlösung beschreibst.
HCD: In der Geschichte liegt die Erlösung darin, die Existenz des Künstlers
aufzugeben und Werbung für Hotels zu machen. Nach den jahrelangen Qualen,
erst ein Künstler zu sein, der sich selbst verwirklichen will, dann
ein politischer Künstler zu werden, liegt das Glück darin, einfach
aufzuhören damit und Dienstleister zu werden. Die realen Konsequenzen
aus UTV haben eher wieder zur Kunst zurückgeführt. Ich denke UTV
hat bei aller Hinwendung zu realpolitischen Fragen, immer auf der Ebene
der Kunst geantwortet. Es ging weniger darum, die Kunst zu verlassen als
um den Versuch, ihr Potential in anderen Feldern vital zu machen. Was dabei
aber auch auftritt, ist die Frage, was sich mit Werkzeugkiste Kunst eigentlich
überhaupt Sinnvolles im eigenen Feld anstellen lässt? Deine Arbeit
verstehe ich als eine Form permanenter Dekonstruktion. Aber trotzdem machst
du eine Arbeit nach der anderen. Manchmal frage ich mich, wie du das aushälst?
HZ: Ich glaube, dafür ist es notwendig, das Künstlerische als
Arbeit aufzufassen. Wie ich nur mehr die nackte Leinwand gezeigt habe, hat
man mich gefragt - was kann danach noch kommen? Das Feld der Kunst ist gross,
daraus ergibt sich natürlich ein grosser Bereich für die Übergänge
zur Nichtkunst, zum Alltag oder anderem. Wenn man an dieser Grenze entlang
geht, gibt es einfach genug zu tun. Nach Yves Klein kann das mit dem Blau
ja nicht einfach zu Ende sein. Das Fernsehstudio für UTV gibt mir einen
Anlass für blaue Farbe an der Wand. Die Blue-Box- oder Chroma-Key-Technik
ist ein schöner Vorwand dafür. Eine Farbe, die man dann im Fernsehen
gar nicht sieht, weil sie zum Ausblenden verwendet wird. In der Videotechnik
gibt es übrigens noch andere wunderschöne Farben und einfache
Techniken, die eigentlich nur dazu dienen zu verschwinden. Dieser Studiotechnik
wollte ich nachspüren mit der Hilfe von und der Unterstützung
für UTV.
HCD: Gut gefiel uns an dem von dir gebauten Studio, dass es günstig
ist, die Materialkosten sind gering, es ist mobil und flexibel und kann
in allen möglichen Situationen installiert werden. Über die farbigen
Klötze wird ein kleines Ordnungssystem vorgegeben, mit dem sich Produktionen
strukturieren lassen. Trotz des rudimentären Mobiliars, bietet die
Blue-Box einige Möglichkeiten, wenn man noch einen Videomischer dazu
nimmt, für die individuellen Wünsche der Benutzer. Um zu Produzieren
hat es allemal gereicht. Das Problem lag eher auf der Ebene der Distribution,
die durch das Aufstellen des Studios in einem Kunstraum nur auf symbolischer
Ebene eingelöst wird.
HZ: Zuerst bestand ja der Plan, das Fernsehstudio für UTV auf der documenta
X zu realisieren, wo ich ausreichende Mittel, eine breite Öffentlichkeit
und den Zugang zu Sendezeit in einem bestehenden Sender erhofft habe. Leider
ist da nichts zustande gekommen.
HCD: Mit Vertretern des institutionalisierten Kunstbetriebs haben wir eigentlich
immer wieder das Gleiche beobachtet. Erst mal wird es interessant gefunden,
über einige Punkte kann man sich gut unterhalten und irgendwann verstehen
die nichts mehr. Da werden zwei verschiedene Sprachen gesprochen.
HZ: In den Gesprächen mit Catherine David hat sie immer wieder die
Frage gestellt, was denn nun der Unterschied zwischen den Gründungsmodellen
der Fernsehliberalisierung in den sechzigern und UTV sei.
HCD: Vielleicht ist UTV sogar die Kehrseite dieser Modelle. Gegenöffentlichkeit
zielte immer auf andere Inhalte. UTV hat vorerst keine Inhalte. Wir haben
es von uns gewiesen, über mögliche Inhalte zu sprechen. Zum einen,
da diese bei denen liegen sollen, die den Sender benutzen, zum anderen,
da in der Welt, die UTV beschreibt, an die Stelle, wo der Inhalt stand,
die Ökonomie und deren Repräsentation getreten ist. In mancher
Hinsicht ist es vielleicht weniger eine Utopie als das im Fernsehen ausgestrahlte
Bild einer total verkapitalisierten Welt, deren letzter Inhalt, die Zirkulation
von Waren, Arbeit und Kapital ist. Leute die stundenlang erzählen,
für wieviel Geld sie arbeiten, wieviel Wohnraum sie sich leisten können
etc. Was herauskommen könnte, ist eine fast pornographische Abbildung
der Lebensumstände. Das Partizipationsmodell füttert die Oberfläche
des kapitalistischen Verfalls.
HZ: Da das in Kassel nicht zustande gekommen ist, habe ich die nächste
mögliche Gelegenheit ergriffen, in der Galerie Christian Nagel in Köln.
Das war dann die erste Realisation des Studios, in dem ihr ein Demonstrations-Band
mit Kleinanzeigen produziert habt. Andere Versionen des Studios standen
dann im Bonner Kunstverein und in der Galerie für Zeitgenössische
Kunst in Leipzig, wo andere Produktionen realisiert wurden. Das Fernsehstudio
war in diesen Räumen ein Teil des Konzepts, im dem ich mir das Ausstellen
zum Thema gemacht und verschiedene Displays gezeigt habe. Jetzt steht die
Ausstellung in der Kunsthalle an, in der das Fernsehstudio im Rahmen einer
Gruppenausstellung als eine historische Arbeit eingerichtet wird. Wie geht
es UTV mit dieser Quasi-Musealisierung?
HCD: Wir haben uns entschieden, UTV einfach erstmal eine Weile auf Eis zu
legen. Das Modell ist aus einer spezifischen Konstellation eines bestimmten
Zeitpunktes entstanden, auf den wir reagiert haben. Inzwischen hat sich
einiges getan, bestimmte Dinge, die vor vier Jahren noch brisant waren,
sind heute Selbstverständlichkeiten. Unser Plan ist, das gesamte Sendemodell
noch einmal grundsätzlich zu überarbeiten. Dafür lassen wir
uns Zeit und beobachten die medienpolitische Entwicklung mit Blick auf einen
günstigen Moment. Das überarbeitete UTV könnte sehr anders
aussehen. Dass jetzt ein Teil, das Studio, aus der ersten Phase musealisiert
wird, finde ich gut, mag da auch einiges auf der Strecke bleiben, wird trotzdem
eine andere Form künstlerischer Praxis in den Speicher getragen. Gleichzeitig
ist es eine Herausforderung, nun über neue Setzungen nachzudenken.
(Erschien zuerst in dem Katalog "Get Together", Kunsthalle Wien
10.99)
***