Villö Huszai
Netzkunst und Kunstbetrieb: eine Denksport-Aufgabe
Obwohl in den neunziger Jahren als die Kunst der Zukunft verschrien, hat sich Netzkunst im herkömmlichen Kunstbetrieb nicht etabliert. Anhand von zwei künstlerischen Positionen, Etoy und dem Projekt «56k-tv Bastard Channel», lässt sich verstehen, dass gerade dieser Ausschluss zum Wesen der Netzkunst gehört: eine Kunst also, immer hart an der Grenze zur Nichtexistenz.
Im Jahre 2000 prognostizierte der Medientheoretiker und Kunstwissenschaftler Boris Groys der Netzkunst eine unsichere Zukunft. Er verglich sie mit der Mail-Art: «Dem Versuch der Mail-Art-Künstler, die Post als Kunstmedium zu benutzen, wurde [
] kein grosser Erfolg beschert. Und das ist auch für die Netzkunst kein gutes Zeichen, denn das Netz ist doch in erster Linie eine Art Post.» Groys Prognose ist bis jetzt nicht widerlegt, im Gegenteil: Im herkömmlichen Kunstbetrieb mit seiner Kür, der Museumsausstellung, ist Netzkunst noch kaum in Erscheinung getreten. Dies gilt auch für die Schweiz, wobei die Kunsthalle St. Gallen allerdings eine Ausnahme bildet. 2002 hat sie als erste etablierte Kunstinstitution Etoy, der vielleicht berühmtesten Netzkunst-Gruppe, eine Einzelausstellung bereitet.
Und diesen Frühling präsentierte sie im Rahmen der Medienkunstausstellung «Mapping New Territories» das Projekt «56k tv Bastard Channel», ein Netzprojekt, das sich spielerisch dem Medium Fernsehen anverwandelt. Kurator Gianni Jetzer gab im Rahmen eines Symposiums anlässlich der Ausstellung unumwunden zu, kein Experte für digitale Medienkunst zu sein, noch je einer werden zu wollen. Er begründete sein Engagement für die Medienkunst zu einem guten Teil mit Überdruss am etablierten Kunstbetrieb. Es sei interessant, dass Medienkunst am Markt vorbeiproduziere. In Sachen Marktferne bildet die Netzkunst, die ungebärdigste unter den digitalen Künsten, zweifellos eine Art Höhepunkt in der von Jetzer beobachteten Distanz zwischen Kunstbetrieb und Medienkunst. Das Projekt «56k tv Bastard Channel» und vor allem der Wildling Etoy beide Kunstpositionen sind zu einem erheblichen Teil in der Schweiz angesiedelt führen das exemplarisch vor Augen.
«56k tv Bastard Channel» oder der Versuch, Netzkunst als Bildkunst zu betreiben
«Bastard Channel» ist eine Art Internet-Ausstellung, in der Arbeiten von insgesamt 14 Künstlern und Künstlerinnen zu sehen sind. Die Arbeiten wurden eigens für das Projekt produziert. Ausgewählt hat die Kunstschaffenden der an der Basler Kunsthochschule lehrende Kunst- und Medientheoretiker Reinhard Storz, der seit fast zehn Jahren den Kulturserver www.xcult.org betreibt. Storz, der «Bastard Channel» in Kooperation mit dem Basler Künstlerduo Monica Studer und Christoph van den Berg entwickelte, versteht sich
bezüglich dieses Projekts halb als Kurator, halb als Künstler. Die Doppelnatur von Storz Arbeit ist dem Umstand geschuldet, dass nicht nur die ausgestellten Werke, sondern auch die Ausstellung selber sich als eine Art Kunstobjekt auffassen lässt. Sie simuliert ein Fernsehprogramm, indem sich die Beiträge nur zu bestimmten «Sendezeiten» ansehen lassen. Die Netzkunst-Arbeiten sind auf nicht einfach abgelegt, sondern regelrecht inszeniert, wofür Storz mit den ebenfalls in Basel beheimateten drei Künstlern Claudia Güdel, Markus Schwander sowie Bernardo Tribolet zusammenarbeitete. Das kantonale Förderinstrument Kunstkredit Basel unterstützte das Projekt denn auch als Kunst-, die nationale Institution Pro Helvetia hingegen als Ausstellungsprojekt.
Storz hat die Netzkunst in einem Interview aus dem Jahre 2000 als Miniaturkunst beschrieben, eine Auffassung, die auch «Bastard Channel» prägt: Die Beiträge sind nicht nur alle möglichst datenarm, damit sie auch mit einem einfachen Modem heruntergeladen werden können. Sie sind auch relativ kurz und überschaubar: Sie berücksichtigen das strenge Zeitreglement, das nicht nur die Ungeduld des Zappers, sondern auch die des Surfers auferlegt. Mit dem Titel eines älteren, ähnlichen Projekts, «Shrink to fit», gab Storz schon früher dem Willen Ausdruck, den unwirtlichen Bedingungen des neuen Mediums Rechnung zu tragen. Netzkunst in der Art von «Bastard Channel» gehört primär ins Netz, was mit einer zentralen Besonderheit des Netzes zusammenhängt: Während andere Künste auf einen Kunstbetrieb angewiesen sind, der ihre Arbeiten publiziert, führt die Netzkunst ihren Publikationsort wie die Schnecke ihr Haus gleich mit.
Autonomie vom Kunstsystem durch den eigenen Server
Zwei zusammenhängende Voraussetzungen sollte Kunst mitbringen, will sie sich im herkömmlichen Kunstbetrieb möglichst reibungslos etablieren: Sie muss in irgendeiner Form visualisierbar sein, damit sie sich im White Cube bzw. der Black Box des Museums ausstellen lässt, und sie muss handelbar sein. Die erste Eigenschaft sorgt dafür, dass die herkömmliche Kunstöffentlichkeit sie zu Gesicht bekommt, die zweite für volle Kassen, sowohl für den Betrieb wie für den Künstler. Gegen diese zwei eisernen Gesetze zu rebellieren, ist für die moderne Kunst seit der historischen Avantgarde gleichsam Ehrensache. Die Netzkunst steht zweifellos in dieser Tradition. Sie hat sich in den neunziger Jahren im Zuge der Popularisierung des Internets als Genre etabliert und musste für ihre Rebellion gegen den Kunstbetrieb nicht lang gewachsene Traditionen über den Haufen werfen, wie es seinerzeit die Dadaisten mit der Literatur taten oder Aktionskünstler wie Valie Export mit der bildenden Kunst. Sie musste sich nur ernsthaft auf die Eigenheiten des neuen Mediums einlassen und die Unverträglichkeit mit dem Kunstbetrieb war im buchstäblichen Sinn vorprogrammiert: Denn eine zentrale Eigenheit des Internets ist die Autonomie, die der eigene Server gewährt. Dank ihm können die drei Eckpfeiler des Kunstbetriebs, das Atelier, die Galerie und das Museum, rein technisch betrachtet, umgangen werden. Der eigene Server kann als Produktions-, Publikations- und Verkaufsort dienen.
So bildet das Streben nach Autonomie von den herkömmlichen Kommunikations-und Vertriebskanälen so etwas wie den innersten Antrieb von «The Thing», der berühmtesten Internet-Kulturplattform der neunziger Jahre (die übrigens bis heute existiert:). Die russische Netzkünstlerin Olia Lialina vertritt vehement das Prinzip, dass Netzkunst auf dem eigenen Server verbleiben solle. Dort (http://www.teleportacia.org) findet sich denn auch ihre vielfach ausgezeichnete Arbeit «My boyfriend came back from the war». Auch ein Blick auf den Server von Heath Bunting, des vielleicht berühmtesten Netzkünstlers der neunziger Jahre, ist aufschlussreich: Mit seinen mittlerweile gewaltigen Datenmengen ist er ein eindrückliches Beispiel für den unbändigen Freiheitswillen der Netzkunst, dem der eigene Server als Schaltzentrum dient. www.irational.org führt aber zugleich vor Augen, wie schwer sich solche Plattformen für Uneingeweihte erschliessen.
Das Netz Bild- oder Kommunikationsmedium?
«Bastard Channel» steht insofern in der hier kurz skizzierten Netzkunst-Tradition der neunziger Jahre, als das Netz als Publikationsort Vorrang vor dem White Cube hat. Doch zugleich zeigt sich eine wesentliche Differenz darin, dass bei «Bastard Channel» das Netz als Analogon des White Cube aufgefasst wird: Ein Besuch auf http://www.56k-bastard.tv soll ähnliches leisten wie ein Museumsgang. Hinter Groys düsterer Prognose steht eine Gretchenfrage der Netzkunst: Wird das Netz eher als ein Kommunikations- oder eher als ein Bildmedium verwendet? Groys hält die Netzkunst für eine Kommunikationskunst wie die Mail-Art und leitet daraus ab, dass ihre Aussichten, längerfristig im Kunstsystem zu reüssieren, schlecht sind. Tatsächlich ist das Kunstsystem auf das Bild (oder die Skulptur) ausgerichtet. Diesen Sachverhalt hat Walter Benjamin in seinem Kunstwerk-Aufsatz deutlich herausgearbeitet: Das von einem Betrachter in kontemplativer Versenkung erfahrene Originalgemälde ist die Urszene der herkömmlichen Kunst, der White Cube sein Schauplatz. Zwar verweigert sich «Bastard Channel» dem Primat des White Cube, aber zumindest bleiben die Arbeiten dem Prinzip der Bildhaftigkeit verpflichtet.
Etoy das kunstvolle Spiel mit schlechten Karten
«Bastard Channel» lässt sich daher als Versuch verstehen, die Netzkunst entgegen Groys Verdikt als Bildkunst zu betreiben. Die Kunstgruppe Etoy hingegen setzt Bilder eigentlich nur als Werbe- und Dokumentationsmittel ein. Ihr Umgang mit dem Netz geht viel stärker in die von Groys festgestellte Richtung einer Kommunikationskunst. Doch zugleich versucht Etoy, die von Groys konstatierte schlechte Ausgangslage ins künstlerische Spiel zu integrieren, aus der Not eine Tugend zu machen.
Bekannt wurde Etoy 1996 mit der Kunstaktion «Digital Hijack», die mit einer goldenen Nica, einem ersten Preis des Linzer Medienkunst-Festivals Ars Electronica, ausgezeichnet wurde: Die schon damals rund siebenköpfige Gruppe manipulierte einschlägige Suchmaschinen in der Weise, dass Anwender derselben ungefragt auf die Homepage von Etoy verfrachtet wurden, auf der sie mit der freundlichen Begrüssung «Dont fucking move. This is a digital hijack» empfangen wurden. Bis zum Schluss der Aktion soll Etoy nach eigenen Angaben über eine halbe Million Surfer auf die eigene Seite gelockt haben wie auch der österreichische Geheimdienst bei ihnen vorstellig geworden sei und die Suchdienste hektische Gegenmassnahmen getroffen hätten. Schon hier zeigte sich, dass Etoys Kunst mit dem Grundprinzip der unmittelbaren Erlebbarkeit unvereinbar ist: Durch den «Digital Hijack» errang Etoy zwar erste Anerkennung, aber: Wie konnte und kann ein breiteres Publikum diese Kunstaktion überhaupt zur Kenntnis nehmen, geschweige denn sich in deren Betrachtung versenken? Man könnte einwenden, dass sich das Problem bei jeder Aktionskunst stelle. Doch wenn Roman Signer Objekte verbrennt oder sprengt, dann finden diese Aktionen im realen Raum statt und lassen sich als einmalige Ereignisse zumindest photographisch oder filmisch festhalten. So kann nicht nur das unmittelbar anwesende, sondern das gesamte potentielle Kunstpublikum Signers Aktionen wenn nicht mit-, so doch nacherleben. Und der Markt hat sein handelbares Objekt in Form einer limitierten Kunstvideo-Ausgabe. Die meisten Suchdienst-Anwender, die von Etoy «entführt» wurden, dürften dies dagegen nicht als Kunst, sondern als Störung erlebt haben. Dieses primäre, in die Aktion involvierte Publikum tritt im Nachhinein nur als Datenbankwert in Erscheinung: als jene halbe Million, von der Etoy berichtet. Das nachträgliche Publikum, das eigentliche Kunstpublikum von Etoy, hat keine Möglichkeit, die Aktion visuell nachzuerleben. Hier liegt ein grundsätzliches Problem vieler Netzkunst-Aktionen, die das Netz primär als Kommunikationsmittel verwenden: Ein Teil des kommunikativen Geschehens bleibt virtuell, von dem am Schluss nur Datenbankwerte gewonnen werden können und allenfalls eine gute Geschichte, die es immer wieder zu erzählen gilt. Was man an Bildmaterial zum «Digital Hijack» faktisch noch findet, sind nur Spuren dieser Geschichte.
Das Aktiensystem und das Prinzip Partizipation
Dem zweiten Erfordernis des Kunstbetriebs, ein handelbares Objekt vorzuweisen, kann auch «Bastard Channel» nicht genügen. Denn indem die Beiträge auf dem Netz publiziert werden, sind sie, zumindest technisch betrachtet, Allgemeingut, für welches einen Kaufpreis zu entrichten absurd wäre. Etoy, das keine einzelnen Kunstobjekte hervorbringt, steht erst recht mit leeren Händen da. Dies muss der ehrgeizigen Kunstgruppe schon immer klar gewesen sein, doch Ende der neunziger Jahre fanden sie zu einer ganz eigenen Lösung: Das Künstlerkollektiv hatte sich von Anfang an als Firma präsentiert und verwandelte sich um die Jahrhundertwende in eine (Kunst-)Aktiengesellschaft. Anstatt herkömmliche Kunstobjekte zu produzieren und zu verkaufen, bietet Etoy seitdem Beteiligungs- und Investitionsmöglichkeiten in Form von Aktien an. Dieses Aktiengeschäft betreibt Etoy mit der stupenden Energie und Gründlichkeit, mit der sie alle ihre Kunstaktionen anpackt. Etoy baut dabei das skurril singuläre, aber in sich schlüssige Etoy-Universum beharrlich aus. Das zeigt sich zum Beispiel am «toywar», durch den Etoy im Jahre 2000 weit über die Grenzen von interessierten Kunstkontexten hinaus wahrgenommen wurde. Die Spielzeugfirma e-Toys versuchte, Etoy die Internet-Adresse gerichtlich zu entziehen. Denn zu viele Kunden von e-Toys gerieten nach dem Geschmack des Börsenunternehmens versehentlich auf die Künstlerseite. Etoy beschloss, weder den Geldangeboten noch den Drohungen des Handelsgiganten Gehör zu schenken und inszenierte den daraus entstehenden zuweilen dramatischen gerichtlichen Konflikt als Kunstaktion. Das Kollektiv schärfte dabei sein Konzept der Partizipation. Es gelang ihm, viele Netz-Communities für die eigene Sache zu mobilisieren und die Server von e-Toys durch Protestmails oder getürkte Bestellungen lahmzulegen. Wer Etoy unterstützte, bekam im Gegenzug Aktienanteile. So gibt es heute neben Grossaktionären wie dem ehemaligen österreichischen Bundespräsident Victor Klima oder dem Netztheoretiker John Perry Barlow ein regelrechtes Heer an «toywar»-Veteranen, die als Aktionäre am Etoy-Unternehmen beteiligt sind. Ab einem gewissen Betrag im drei oder vierstelligen Dollarbereich wird eine Etoy-Aktie in Form einer Metallplatte ausgegeben, die Etoy immer systematischer als Bildersatz einzusetzen versucht (siehe dazu https://secure.etoy.com). So sind die Aktienbilder grundsätzlich Unikate. Zu sehen sind Graphiken oder Photographien, die während derjenigen Etoy-Aktionen gemacht wurden, die sich auch im realen Raum abgespielt haben. So bilden die Aktien im Grunde eine fortlaufende Bildergeschichte der Etoy-Entwicklung. Sollte Etoy die gläserne Decke des Kunstbetriebs trotz der schlechten Ausgangslage durchstossen, könnten diese amateurhaften Bildtafeln durchaus einen gewissen Sammlerwert erringen. Zwar nicht als unmittelbares Kunstobjekt, denn Etoys Kunst ist, wie gesagt, Kommunikation und Partizipation, aber als Spur dieser immateriellen Kunstform.
Das Label Netzkunst zwischen Theorie und Praxis
Natürlich ist das Prinzip, Netzkunst auf dem eigenen Server zu publizieren, schöne Theorie. In der Praxis wird wohl auch «Bastard Channel» doch immer noch mehrheitlich anlässlich von realen Ausstellungen, bis jetzt eben immer noch Insider-Ausstellungen, wahrgenommen. So wurde das Projekt an der Ausstellung der diesjährigen Viper (http://www.viper.ch) in einem eigenen Ausstellungsraum lanciert und war neben der Ausstellung in St. Gallen im Mai dieses Jahres im Basler Medienforum «plug-in» (http://welcome.weallplugin.org) zu besichtigen. Einzelne Arbeiten, wie zum Beispiel «Sphinx» der Schriftstellerin Birgit Kempker, gewinnt durch die White-Cube-Adaption zweifellos: So stellten einzelne Besucher der Viper-Ausstellung ihre Fragen via Terminal an die «Sphinx», während Kempker mehr oder weniger unerkannt im selben Raum die Antworten in ihre Maschine tippte. Nicht ganz unähnlich ist die Situation bei Etoy: Nach Auskunft der Künstler hängt der Aktienverkauf ganz massiv davon ab, wie Etoy im realen Raum agiert: Während des «toywar» schnellte der Kursverlauf in die Höhe. Auch die Präsenz auf einem Festival schlägt sich positiv nieder.
Etoy hat, darin vielen Netzkünstlern der ersten Stunde verwandt, von Anfang an klargemacht, dass die Präsenz im Internet nur ein Teil ihrer Kunst ist. Der letzte und augenfälligste Ausdruck dieser Ausweitung eines zu buchstäblich verstandenen Netzkunst-Begriffs sind die zwei in Etoy-Orange gehaltenen Frachtcontainer, mit denen die Gruppe im realen Raum auftritt. Etoys Berufung auf die soziale Skulptur von Beuys mag von einer politischen Warte heraus erstaunen bei einer Künstlergruppe, die sich mimetisch an Wirtschafts- und Technologiekreise anlehnt. Aber der Versuch, als künstlerisch agierende Gruppe ein Kunstwerk zu bilden, an welchem das Publikum als Aktionäre oder als Publikum partizipieren soll, scheint ernstgemeint. Weil Etoy sowohl im Internet wie im realen Raum ihre Kunst betreibt, hat sich die Gruppe um die Genrebezeichung Netzkunst nie gerissen. Zu einschränkend sind die Erwartungen, die durch den eingängigen Begriff geweckt werden. Das Projekt «Bastard Channel» entspricht diesen Erwartungen eher. Aber dann wiederum ist Etoy doch so massgeblich geprägt von den mentalen und technischen Umwälzungen der neunziger Jahre, dass es schwierig erscheint, auf die Genrebezeichnung Netzkunst ganz zu verzichten. So praktizieren die zwei künstlerischen Positionen die Unvereinbarkeit mit dem herkömmlichen Kunstbetrieb auf verschiedene Weise, und die gemeinsame Chiffre Netzkunst besagt vor allem eines: Aussicht auf eine wohlfeile Adaption an den gängigen Kunstbetrieb ist von vornherein ausgeschlossen. Gianni Jetzer gewinnt aus dieser negativen Eigenschaft einen Teil seiner Motivation, mit Medienkunst zu arbeiten: Wie Netzkunst sich heute und in Zukunft mit dem Kunstbetrieb balgt, ist in der Tat interessant mitanzusehen. Was immer die Schönheit von Netzkunst ausmacht: Diese Auseinandersetzung ist eine ihrer Quellen.
erschienen in:
Gazzetta Pro Litteris, Juni 2005 (www.prolitteris.ch)