Hans Renggli
Shedhalle Zürich heute - eine Ortung
Das Massenmedium Fernsehen, sein Zustand und seine Zukunft, ist Thema der
aktuellen Ausstellung der Shedhalle Zürich. Das Projekt will eine kritische
Mediendiskussion wieder aufnehmen, die im deutschen Sprachraum nicht mehr
geführt werde, schreibt Kurator Justin Hoffmann. Hoffmann, der Münchner,
verantwortet die Ausstellung allein. Die neue Kuratorin Elke Aus dem Moore,
die Marion von Osten gemäss der 1993 eingeführten Dreijahre-Regel
ablöst, hat ihre Arbeit zwar schon aufgenommen, an der Projektierung
des Programms 1999 war sie aber noch kaum beteiligt.
Aus dem Moore von Hamburg ist die fünfte Kuratorin, Hoffman der bisher
einzige Kurator, seit sich die Shedhalle eine neue Struktur und inhaltliche
Richtung gab und das "Dreamteam" Mosca/Lux Ende 1993 verabschiedete.
Harm Lux unterhielt fünf Jahre lang einen kunsthalle-ähnlichen
Betrieb, wobei er den Kunstkontext als eine in der westlichen Gesellschaft
gegebene Grösse relativ kritiklos akzeptierte. Davon wollte man wegkommen
und die Chance packen, die Shedhalle zu verändern. Die Shedhalle sollte
künftig mehr Labor als Kunsthalle sein - ein Forschungs- und Begegnungszentrum
für neue Formen der Kunstpraxis und Kunstreflexion.
So wandelte sie sich zu einem europäischen Kunstraum, der sich kritisch
mit seinem eigenen institutionellen Rahmen auseinanderzusetzen begann. Was
bisher ihren Erfolg ausmachte, die ganze westliche White-Cube-Mentalität
des Inszenierens, Sammelns, Klassifizierens und Bewertens, warf die neue
Leitung über Bord. Dafür verlagerte sie ihr Kunstverständnis
auf einen erweiterten Begriff von public art, indem sie mit Gruppen ausserhalb
des Kunstkontexts kulturell zu arbeiten begann. So entstand z.B. 1994 das
Projekt "Künstler & Künstlerinnen zur Drogenproblematik.
Eine konkrete Intervention". Gespräche wurden angeregt, Politiker,
Medienleute, Sozialarbeiter und Betroffene tauschten auf Bootsfahrten Gedanken
und Ideen aus. Die Beteiligten waren positiv überrascht. Da war aus
einer Ecke(Kunst), von der man es nicht erwartet hatte, Bewegung in ein
verhärtetes politisches Tagsgeschäft gebracht worden. Das also
konnte Kunst sein?
Dass man Kunst so praktiziere, landete freilich nicht bei allen richtig.
Stefan Banz als designierter dritter Kurator neben Sylvia Kafehsy aus Wien
und Renate Lorenz aus Düsseldorf stieg aus, noch bevor er seine Stelle
angetreten hatte. Er hätte eigentlich die Position "Schweiz"
vertreten wollen. Doch in basisemokratischen Flügelkämpfen mit
den forschen Analytikerinnen aus den Nachbarnländern mochte er sich
nicht aufreiben. Er wollte offenbar den Freiraum Kunst vor den Niederungen
der Politik bewahren.
Nur, ein Abseits von politischen Verhältnissen für Künstler/innen
gibt es nicht. Wo sie sich selbst nicht politisch definieren, tun es andere.
Das hat man in der Shedhalle seither vehement vertreten. Jetzt waren klar
die Frauen am Zug. "Censorship", "Gewerbeschein Künstlerin",
"sex and space", "erotisch, aber indiskret" und "Kültür
- Frauen in Istanbul" stehen für Projekte mit frauenpolitischer
Ausrichtung. Als"kulturelle Praxis der Gender- und MigrantInnenpolitik"
umschreibt Hoffmann die Haupttendenz der Shedhalle der letzten Jahre.
Und was hat das der Öffentlichkeit gebracht? Das halbe Publikum lief
indigniert davon. Als zu sprachbetont, zu theoretisch, zu wenig sinnlich
kam das Gebotene an. Tatsächlich gings oft zu wie am Oberlehrerseminar,
inflationäres Theoretisieren bis zum Gehtnichtmehr. Doch das ist nur
der eine Aspekt. Die Shedhalle wurde auch immer mehr zu einer internationalen
Produktionsstätte von Künstler/innen, die vor allem in Gruppen
arbeiten und ihre Kräfte im Kollektiv vermehren. Die Gemeinsamkeit
setzt Mut und Energien frei für direkte, provozierende künstlerische
Kommunikation. Während die Institutionen in der Krise aufgeschreckt
und ideenlos autoritäre, repressive Strukturen aufrichteten, arbeitete
die Shedhalle konsequent antizyklisch. Und als Catherine David 1997 ihre
DokumentaX als unmissverständlichen Aufforderung an die Kunst herausbrachte,
angesichts des neuen Siechtums der Sozietät, die politische Aktion
zu wählen, fühlte man sich in der eingeschlagenen Richtung bestätigt.
In Berlin, Hamburg, München, Graz und Wien gewann die Shedhalle viele
neue Freunde und geniesst einen Top-Ruf als kreative Brutstätte. Allein
das Schweizer Publikum scheint noch zu schlafen. Dem will sich Elke Aus
dem Moore jetzt annehmen. Sie möchte die Öffentlichkeitsarbeit
verstärken und verspricht mehr Sinnlichkeit.
Programm Fernsehen bis 21. März