Einführung: Posen
..... Im repräsentativen "Herrenzimmer" meines Vaters hing eine Fotografie.
Sie zeigte meinen Vater in kolonialistischer Aufmachung, kernig - gutaussehend, ein Bein abgewinkelt, den bestiefelten Fuss auf einem liegenden Nashorn aufgestützt, in einer Hand lässig das Gewehr.
Das Nashorn war Mausetot, man konnte das an einem schmalen Blutrinnsal sehen, das ihm, dem Nashorn, über dem Auge lag.
Die Fotografie war der Knüller in unserem Haushalt und eignete sich für uns Geschwister hervoragend, bei unseren Freunden Eindruck zu schinden.....
Mein Bruder Rainer erzählte mir kürzlich von einem Gespräch zwischen ihm und unserem Vater. Er habe unbedingt wissen wollen, warum der Vater das Nashorn umgebracht habe. Der Vater sei aber beschäftigt gewesen und habe nicht geantwortet. Als er ihn daraufhin mit der Fragerei weiterquälte, sei die "genervte Entschuldigung" oder das "glaubhafte Geständnis" unseres Vaters gekommen, er habe das Nashorn gar nicht erschossen. Damit sei er "beruhigt" gewesen.
Ungefähr siebzig Jahre später entsteht diese Fotografie, aufgenommen von meiner Mutter. Es zeigt meinen Sohn Lukas, der ein ausgesprochenes Faible für Posen hat, mit dem alten Luftgewehr meiner Brüder.
Selbst um dieses Bild, dass noch nicht einmal ein Jahr alt ist, ranken sich verschiedene Versionen der Geschichte seiner Entstehung.
Hier sehen wir meinen Mann Jürg Stäuble.
Er posiert im Inneren eines Lastwagens auf einem Teilstück einer etwa 12 Meter langen Skulptur welche zu ihrem jetzigen Standort transportiert wird.
(Zu seiner "Entlastung" soll hier gesagt sein, dass die Pose durchaus ironisch gemeint war)
Als ich die Fotografie zu Gesicht bekam, hatte ich sofort das "Nashorn-Bild" vor Augen. Das Interesse an der "Koinzidenz" der beiden Fotos führte mich zu der Arbeit "Beute", die ich innerhalb des Zyklus "Familienschmuck" realisiert habe.