Netzbasierte Kunst

next


Mitschreib-Projekte (Partizipation)

Zu den frühsten interaktiven, oder genauer: partizipativen Werken im Netz gehörten Text-Projekte, in denen verschiedene Autoren an einer gemeinsamen Geschichte mitschrieben. Bei partizipativen Werken kann der User durch Bearbeiten, Rücksenden von Text-, Ton- oder Bilderfiles oder durch das online-Steuern von Programmen zu einer andauernden Veränderung des jeweiligen Kunstprojektes beitragen, wobei die Veränderung immer mitbestimmt ist von den Eingriffen anderer User. (7)

1983 entstand das erste kollaborative Literaturprojekt "La Plissure du Texte" (8), initiiert von Roy Ascott. Dieser britische Künstler und Theoretiker hatte bereits 1966 die Idee formuliert, innerhalb der kommenden telematischen Kultur müsse Kunst diffus, immanent, verzweigt, veränderbar und ständig in Bewegung sein. (9) Ein Satz, der für die Theorie der interaktiven Kunst bis heute massgebend ist.

Eine nächste Plattform für kollaboratives Schreiben entstand anlässlich der von Jean-François Lyotard mitkonzipierten Ausstellung "Les Immateriaux", die 1984, im Orwell-Jahr, in Paris stattfand. Etwa 20 französischen Intellektuellen und Künstlern (dazu gehörten Daniel Buren, Michel Butor und Jacques Derrida) wurde ein privater Minitel-Anschluss zur Verfügung gestellt. Sie bekamen eine Liste von 30 Begriffen als Ausgangsmaterial. In den Spielregeln für die Autoren stand: "Nun liegt es an Ihnen, wie Sie weitermachen wollen: – zu einem beliebigen Zweck an Ihre ersten Definitionen anknüpfen ( Widerlegung, Ergänzung, Variation etc. ); – mit den anderen Autoren in Verbindung treten und an deren Definitionen oder bereits an deren Verknüpfungen anschließen, zu welchem Zweck auch immer." (10)

Mitschreibprojekt, Beim Bäcker, 1996-2000
Eines der ältesten literarischen Mitschreibprojekte im deutschsprachigen Raum heisst Beim Bäcker und brachte es zwischen 1996 und 1998 auf 38 Textbeiträge. Dieses Projekt setzt auf eine der stärksten Formen der Interaktion im Internet – die der Partizipation. Verschiedene Autorinnen und Autoren schreiben fortlaufend an einer Geschichte weiter und prägen damit gemeinsam den Inhalt des Werks. Dabei ist es besonders spannend zu beobachten, wie die Figuren und Erzählstränge der Vorläufertexte aufgenommen und umgestaltet werden. Künstlerisches Resultat ist weniger eine literarische als eine soziale Ästhetik: Oft wirken die literarischen Figuren wie Stellvertreter für ihre Autoren, die über die Erzählung auf ihre Vorgänger reagieren, manchmal genervt und aggressiv, manchmal flirtend oder besitzergreifend. Partizipative Projekte wie Beim Bäcker machen die Dynamik der Netzkommunikation erfahrbar.
x (http://home.snafu.de/klinger/baecker/)




Da sich solche partizipativen Werke durch den Beitrag verschiedener AutorInnen für alle sichtbar ändern und erweitern, ist der Interaktionsgrad solcher Projekte rel. hoch, allerdings auch die Schwelle, daran teilzunehmen. Die Erzählweise ist selten linear, es werden ständig neue Figuren eingeführt und Perspektiven gewechselt, manche Werke entwickeln zudem eine verschachtelte Hypertext-Struktur. Allerdings erstarrt das Werk in seinen älteren Bestandteilen und die literarische Qualität schwankt je nach Beitrag erheblich.


Bildbeitrag-Projekt

calc & Johannes Gees: Communimage, seit 1999
Das kollaborative Kunstprojekt bietet jeder Userin und jedem User weltweit die Möglichkeit, eigene kleine Bilder zu einem riesigen Bildteppich beizutragen. Seit seinem Beginn 1999 hat Communimage stetig an Masse zugelegt: Ende 2005 zählte das Patchwork rund 25200 Einzelbildern von 2100 Bildautoren aus 85 verschiedenen Ländern. Ausgedruckt bedeckt das Gesamtbild eine Fläche von 145 m2. Aber nicht die einzelnen Bildbeiträge, sondern das Gesamtbild mit seiner kollaborativen Entstehungsgeschichte machen die Qualität des Werks aus. Sie lässt sich als Ausdruck einer gemeinschaftsbildenden Kommunikationsfreude vieler Individuen verstehen.
http://www.communimage.net