Netzbasierte Kunst

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56ktv-bastard channel, 2004/05
Die Schweizer Kunst-Plattform xcult.org kuratierte 2004/05 das internationale Netz-TV-Projekt 56ktv bastard channel, an dem 14 Künstler/gruppen aus neun Ländern teilnahmen. Bastard channel ist als Lowtech-Fernsehsender im Web gestaltet, die Kunstbeiträge sind die einzelnen Sendungen des TV-Kanals. Das Spektrum der Sendeformate umfasst die bekannten Genres: Nachrichten- und Werbesendung, Actionfilm, Ratgebersendung, Game- und Talkshow, Krimi und Softporno, eine Telenovela in 13 Folgen. In den Beiträgen wird nur im Ausnahmefall ein Filmformat benutzt, wie man es vom Fernsehen her kennt. Vielmehr findet man die verschiedensten Techniken des Internets, mit deren Hilfe audio-visuelle Animationsformen erzeugt werden. Texte von internationalen Kunsttheoretikern kommentiern die Kreuzung aus Fernseh- und Webprojekt in einer eigenen, audruckbaren Programmzeitschrift.

http://www.56k-bastard.tv




3 Fragen + Antworten

I.) Wie sieht die Kunstinstitution der Zukunft aus? Was wird darin gezeigt?

Kunstmuseen als Archive für Kunstbilder und als Orte der Ruhe und der verlangsamten Wahrnehmung wird es weiterhin geben. Aber sie werden nicht mehr die selbe Bestimmungsmacht über Kunst haben, wie bisher. Daneben werden neue Kunstinstitutionen aufgewertet, die sich als Orte für Kunst-Ereignisse und als Agenturen für neue Kunst und Bildtechnologien profilieren. Aus der Perspektive eines erweiterten Kunstbegriffs pflegen sie den Diskurs über die aktuelle Bilderproduktion und beziehen dabei auch alle Kunstformen ein, deren Rezeption nicht mehr an Kunsthäuser gebunden ist.

II.) Wo sind Konflikte zwischen heutigen Kunstinstitutionen und Medienkunst?

Kunsthäuser pflegen heute eine Kunst, der man körperlich distanziert und in schweigender Betrachtung gegenübertritt. Sie ist ein scheues Reh, das man vom Hochsitz der geistigen Anteilnahme aus betrachtet. Medienkunst dagegen ist eher laut und expansiv, sie verlangt nach der Interaktion des Publikums - um sie zu begreifen braucht es Schädel, Fingerspitzen und Füsse. Sie ist 1.) ein Unruheherd und 2.) obszön. Denn selbst wenn sie ihre industrietechnischen Komponenten schamvoll zu verbergen versucht: Die Aparate der Medienkunst gelten für ein klassisch-bürgerliches Kunstverständnis als vulgär. Ihre Techno-Ästhetik erinnert an die Arbeitssphäre des Alltags, während sich die Kunstgläubigen weiterhin an ein Kunsttun jenseits des Arbeitsbegriffs klammern.

III.) Was ist das Potenzial der Medienkunst?

Medienkunst verlässt das Refugium der vorindustriell hergestellten Bilder, das uns in den Kunsthäusern erwartet. Sie schliesst die Kunstpraxis an die Bildtechniken des gesellschaftlichen Alltags an. Netzkunst zum Beispiel hat ihren Ort in einem eigenen weltweiten Kommunikationsmedium – sie benötigt kein Museum, keinen Katalog oder Fernsehsender, um für das Publikum sichtbar zu werden. Videokunst wird ihr bald ins Netz nachfolgen, denn der Tendenz zur Reproduzierbarkeit von Bildern wird sich die Kunst und ihr Markt nicht länger entziehen können.


Statements von Reinhard Storz
veröffentlicht in: Mapping new Territories, Katalog Neue Kunst Halle St.Gallen, herausgegeben von Maria Stergiou (sitemapping.ch / Bundesamt für Kultur), Gianni Jetzer (Neue Kunst Halle St.Gallen), Annette Schindler [plug.in]. Christoph Merian Verlag, Basel 2005