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Dr. Stephan Schmidt

 

 

Vaterbilder -Eine psychoanalytische Kasuistik-

Vortrag am 5. 12. 1998 im Kaskadenkondensator, Basel

 

 

 

"Was der Vater schwieg

das kommt im Sohne zum Reden,

und oft fand ich den Sohn

als des Vaters entblösstes Geheimnis"

 

(F. Nietzsche)

 

 

 

 

mit dem Fatalismus eines Therapeuten möchte ich weiter dichten:

 

...und selten find ich den Sohn

als des Vaters gelöstes Geheimnis...

 

Ich möchte Ihnen aus meiner Praxis eine Fallgeschichte vorstellen und ein paar Vorbemerkungen dazu machen. Die eine Vorbemerkung bezieht sich auf die Betten, die hier im Hintergrund stehen. Die Betten, die in ihrer sublimierten Form als Couch zum Mobiliar des Analytiker gehören. Das Bett ist der Ort an dem wir zeugen und gezeugt werden, manchmal gebären, lieben, schlafen, träumen. Also ein Ort in dem wir im Übergang leben, im Übergang von der sogenannten Alltagsrealität, also unserer alltäglichen, erwachsenen, bewussten Realität zu einer anderen Realität, nämlich der Realität der inneren Bilder. Deren Spuren wir heute unter einem bestimmten Blickwinkel, nämlich dem auf die Väter, nachgehen wollen. Die Idee war, uns in diesem Raum, in dem Bilder sind (zB hinter mir das Bild meines Schwiegervaters), in dem Gespräche stattfinden werden, in dem wir schlafen werden, in diesem Raum, der sozusagen geladen ist mit allen möglichen Aspekten, uns auf die Suche zu machen auch nach den eigenen Vätern.

(Dazu werde ich gleich noch etwas sagen... )

Die Betten sind auch der Ort, in dem -wie ich jedenfalls hoffe- die, die dort schlafen werden, träumen und damit Spuren aus ihrer Vergangenheit, ihrer Geschichte und ihrer Gegenwart -und zwar Spuren aus einer anderen Realität als unserer sogenannten erwachsenen Realität- aufsuchen werden und uns morgen vielleicht beim Frühstück mitteilen können. Dabei wird auch das unbenutzte Bett, denn es werden nicht alle belegt, ein Bild zu sein -nicht nur dafür, dass es irgend jemandem zu kalt, zu weich oder zu ungemütlich ist- sondern auch dafür, dass der Raum der inneren Bilder ein sehr diskreter und intimer Raum ist, der Schutz braucht. Schutz, der legitim ist, der notwendig ist, den wir aber doch auch immer wieder verlassen sollten um uns in einen Dialogprozess der Auseinandersetzung mit uns selber zu begeben.

 

Ich möchte im Folgenden versuchen, ihnen einen notwendigerweise sehr stark verkürzten Einblick zu geben in die Methode psychoanalytischer Arbeit und dies dann am Thema des Vaters anhand einer Fallgeschichte etwas genauer auszuführen.

 

Die Ausgangssituation eines Therapeuten ist, dass ein Mensch zu ihm kommt und unter einer Diskrepanz zwischen einem Bild von sich selbst und der von ihm wahrgenommen Realität leidet. Diese Diskrepanz kann alle möglichen Lebensbereiche betreffen: jemand mit einem asketischen Bild von sich selber wird unter seinem Hunger leiden, jemand mit einem hohen moralischen Ideal wird unter der Entdeckung amoralischer Impulse leiden, jemand mit dem Selbstbild der Stärke und Sicherheit unter dem Gefühl der Schwäche usw.

 

Also natürlich ist es meist ganz anders: die Menschen kommen zum Arzt oder zum Therapeuten, weil sie "etwas haben": Angstanfälle, Magersucht, Depressionen, Liebeskummer oder Kreuzschmerzen. Sie haben ein Symptom, von dem sie befreit werden wollen, der Therapeut soll dem Chirurgen vergleichbar seine Methoden anwenden und mittels einer guten, einfühlsamen Operation das Symptom aus dem Gesamt der Persönlichkeit herauspräparieren und dann ist alles wieder gut. Das Symptom erscheint damit wie ein Störenfried in der Person, wie etwas zu Entfernendes. Das ist das Modell, das wir in der Regel in der Medizin erleben, in der Symptome supprimiert, weggeschnitten oder bestenfalls einfach toleriert werden (nach dem in 80% der Fälle ausreichenden ärztlichen Motto: "Hab ich auch, geht von alleine wieder weg").

Dabei geht etwas Entscheidendes verloren: Jeder Traum, jeder Einfall, jedes Bild und natürlich auch jedes Symptom können als eine Botschaft, eine Mitteilung verstanden werden, mit der sich die Seele, wir nennen es das Unbewusste, äussert und die verstanden werden will und manchmal auch verstanden werden kann.

 

Was ist das Unbewusste?

In einer verkürzenden Übersetzung möchte ich es so definieren, dass das Unbewusste die Summe aller jemals gemachten Beziehungserfahrungen in der Beziehung zu sich selbst und zu Anderen ist und die Summe aller jemals versuchten Verarbeitungen von solchen Erfahrungen und die Summe aller Erfahrungen, die wir mit diesen Verarbeitungsversuchen gemacht haben usw. usw. Also das Unbewusste ist ein offenes System, das sich in jedem Moment prozesshaft weiterentwickelt. Die Situation wird dadurch natürlich kompliziert, dass wir unsere Beziehungserfahrungen natürlich mit Menschen machen, die ihrerseits von ihren eigenen Erfahrungen geprägt und bestimmt werden, sodass das Unbewusste auf der Zeitachse nicht nur in die Zukunft, sondern auch in die Vergangenheit offen ist. Darauf bezieht sich auch dieses Motto von Nietzsche: wir kommen mit einem Geheimnis, dem Geheimnis unserer Eltern zur Welt und haben eine Aufgabe. Nämlich dieses Geheimnis zu lüften.

 

Wir wissen dabei um die besondere Bedeutung von traumatisierenden Erfahrungen, insbesondere traumatisierenden kindlichen Erfahrungen wie körperlichem oder seelischen Missbrauch, körperlicher oder emotioneller Gewaltausübung, körperlichem und seelischem Hunger und wir wissen, dass diese Traumatisierung allein noch nicht krank machen: Krankheit ist eine Störung in der Verarbeitung von Traumen, (dessen frühestes, einschneidenstes und allgemeinstes vielleicht die Geburt ist).

 

Was machen wir jetzt damit? Wir können anfangen zu suchen, aus welchen Quellen, wenn Sie so wollen in welcher Sprache, mit welcher Grammatik wir versuchen, unsere Erfahrungen zu verarbeiten. Es gibt dabei nicht nur aus dem Bereich der Psychoanalyse eine Fülle von Beobachtungen und Untersuchungen zu der Rolle der Mütter, die uns nicht nur die Wörter-Sprache, unsere Muttersprache, vermitteln, sondern insbesondere auch die "Sprache", die Mittel und Wege, unsere Erfahrungen zu verarbeiten.

Die Mütter sind ein ganz anderes Thema, das heute Abend auch in meiner Fallgeschichte ganz bewusst ausgeblendet werden wird. Die Mütter sind viel untersucht, die gute Mutter, die schizo/phreno/gene Mutter, die kastrierende Mutter, die nährende Mutter usw. Die Väter sind insbesondere auch in der Geschichte der Psychoanalyse sträflich vernachlässigt worden. Das wird eine Vielzahl von Gründen haben, die unter Anderem damit zu tun haben könnten, dass die Väter der Psychoanalyse ihre eigene Position nicht gerne hinterfragt sahen. Auch die psychoanalytische Forschung ist eine Männerforschung, zumindest lange gewesen - und die Rolle der Väter zu befragen heisst, die Väter zu hinterfragen. Das ist ein gewagtes Unterfangen.

 

Zur Muttersprache möchte ich in einem extrem simplen Beispiel etwas erläutern:

ein kleines Kind schreit und die Mutter antwortet z.B.

"Es ist noch nicht Zeit zum Stillen, mein Kleiner, du musst dich noch etwas gedulden"

-oder: "Hier ist dein Schnuller"

-oder: "Sicher hast du Bauchweh"

-oder: nimmt das Kind in den Arm und wiegt es hin und her

-oder: geht raus

-oder: ist gereizt, schüttelt das Kind, legt es andersherum in sein Bettchen und geht raus

-oder: nimmt das Kind an die Brust

-oder, oder, oder.

Keine dieser Antworten ist per se falsch oder richtig und an allem wird das Kind ein Schema, ein Muster, eine Sprache für den Umgang mit einem Konflikt (hier zB Hunger, Angst, Einsamkeit oder eine volle Windel) erfahren und mit der Zeit sich zu eigen machen. Um solche Schemata geht es, wenn wir mit der Therapie nach den Bildern suchen, aus denen sich die Geschichte und Gegenwart von Patienten zusammensetzt, aus denen sich ihre und unsere eigene Wirklichkeit konstruiert hat und immer wieder neu konstruiert.

 

Ich möchte meinen Beitrag zu der Auseinandersetzung über die Vaterbilder liefern, indem ich das tue, was ich am besten kann. Nämlich über eine Behandlung sprechen und Ihnen einen kleinen Ausschnitt aus einer über fünf Jahre dauernden Behandlung (etwa 400 Therapiestunden) eines Patienten darstellen. Dabei handelt es sich nicht etwa um eine ungewöhnliche oder sonstwie besonders erwähnenswerte Therapie, sondern ich habe diese Behandlung ausgewählt, einmal, weil sie abgeschlossen ist und, weil ich an ihr meine darstellen zu können,

- wie psychoanalytisches Arbeiten vonstatten gehen kann, wie sich also aus zunächst unklaren Motiven, Gedanken und Gefühlen Bilder entwickeln können und

- wie sich verschiedene Aspekte des Vater-Themas in einer Lebensgeschichte so ausbreiten können, dass sie in jedem Teil dieser Geschichte und Gegenwart dieses Patienten sichtbar werden können.

 

Dabei geht es weniger um behandlungstechnische Fragen, als um darum, Ihnen einen Anstoss zu geben, sich mit den in Ihnen auftauchenden Bildern, Erinnerungen und Gefühlen auseinander zu setzen: In der Beschäftigung mit den Vätern, um die es in meiner Kasuistik geht, sind die jeweils eigenen Väter immer mit dabei. Also versuchen Sie mir nicht akademisch zuzuhören, sondern sich einzulassen auf einen inneren Diskurs, für den die folgende Behandlungsgeschichte nur ein Beispiel ist. Es ist vielleicht hilfreich, wenn Sie versuchen, sich das Bild Ihres Vaters -ob das nun der biologische Vater, der Ziehvater, der prägende Vater, ein Lehrer oder sonst jemand- zu vergegenwärtigen und mit diesem Bild die verschiedenen Aspekte von Vater, die ich Ihnen in meiner Fallgeschichte darstellen möchte sozusagen abzugleichen und abzutasten. Versuchen Sie, auf diesem Bild herumzukauen, zu schauen, ob Sie etwas wiederfinden, um damit den inneren Dialog mit sich selber zu beginnen. Das ist ein bisschen eine Zumutung, die aber notwendig ist, denn die Psychoanalyse liefert keine Antworten sondern Fragen. Sie ist keine feste Methodik und schon gar kein sicheres Wissen, sondern vielmehr eine Haltung, und zwar die Haltung der Bereitschaft, sich auf einen Prozess der Auseinandersetzung einzulassen. Eine Auseinandersetzung die in jedem Moment bewusst und insbesondere auch unbewusst stattfindet, nicht zuletzt in den Träumen.

 

...

 

Die Fallgeschichte, die im Ausstellungsprojekt 1998 von Dr. Stephan Schmidt vorgestellt wurde, kann aus Rücksicht auf den lebendigen Menschen, der dahinter steht, nicht in gleicher Form im Internet veröffentlicht werden. Hier wird deshalb vorest nur ein Teil des Vortrags zu sehen sein. Eine überarbeitete Fassung wird demnächst folgen.

 

 

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