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Computer Games & Game Art


Game vs. Play
In der englischen Sprache unterscheidet man Game und Play.
Games sind konkrete Spiele mit Spielregeln, wie das Schachspiel, Sportspiele, Computergames.
Plays dagegen sind Theaterstücke, Schauspiele. Und play meint eher eine geistige Haltung: im So-tun-als-ob der Kinder, in Rollenspielen. Am Computer kann man Second Life oder Amateur-Flugsimulatoren als Play bezeichnen.
(vgl. dazu: Bernard Perron, From Gamers to Players and Gamelplayers: The Example of interactive Movies. in Mark Wolf / Bernard Perron (Hg.), The Video Game Theory Reader. Routledge GB 2003, S.237-254)

Historische Spieltheorien
Im deutschen Idealismus beschäftigten sich Herder, Wieland, Schiller und Goethe mit der Dialektik von Ernst und Spiel und ihrer Beziehungen zu künstlerischem Schaffen. Schiller forderte für das Spielhafte einen Bereich der Kunst ein: "Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." Indem sie spielten, könnten Künstler "Naturwirklichkeit in Kunstwahrheit überführen", wobei "nach meinem Begriff das Ästhetische Ernst und Spiel zugleich ist." In dieser Zeit beginnt gedanklich die Trennung zwischen Play und Game, wobei sich Schiller noch rechtfertigen muss, den als vulgär missverständlichen Spielbegriff (game) umzudefinieren auf eine zum Feld des Ästhetischen gehörenden Geisteshaltung (play).
(Vgl dazu: Mathias Fuchs, Spielräume als Wissenräume. In: Kunst und Spiel I, Kunstforum, Bd.176, Juni-August 2005, S.56-68)

Im Lauf des 20.Jahrhunderts sind viele kulturanthropologische, psychologische und pädagogische Theorien enstanden, welche sich mit dem Spiel befassen, etwa Winnicotts Theorie der Kulturentstehung aus dem Spiel des Kleinkinds mit 'Übergangsobjekten', Margret Meads Lehre von den Sozialisationsfunktionen des Spiels oder die Idee des Spiels als Kultur schaffender Lebensäusserung bei Huizinga.
Seit etwa 30 Jahren aber ist, wie Claus Pias schreibt, rnit dem Cornputer ein kategorial neuer Typus von Spielmaschine entstanden. (-) Überall dort, wo es um das Durchspielen von Möglichkeiten, um hypothetische Lösungen oder um virtuelle Ereignisse geht, betimmen Computerspiele die Lage und stecken die Reichweite dessen ab, was »Spielen« in informatisierten Gesellschaften heissen mag. Spielformen treten auch auf, wo es beispielsweise darum geht, ökonomische, militärische oder soziale Szenarien zu untersuchen, wo es darum geht, eine >Schrift des Lebens< und ihre aktuellen wie virtuellen Verkörperungen durchzubuchstabieren. (Claus Pias: Computer Spiel Welten. München: Sequenzia Verlag 2002, S.311-312)

In seinem erstmal 1938 erschienenen und 1944 in Deutsch verlegten Werk "Homo Ludens" definierte Johan Huizinga (NL 1872-1945) wichtige Aspekte des Spiels:
"Der Form nach betrachtet, kann man das Spiel also zusammenfassend eine freie Handlung nennen, die als ,nicht so gemeint' und ausserhalb des gewöhnlichen Lebens stehend empfunden wird und trotzdem den Spieler völlig in Beschlag nehmen kann, an die kein materielles Interesse geknüpft ist und mit der keine Nutzen erworben wird (...).'" Auffallend ist die Nähe dieser Definition des Spieles zu kantischen Vorstellungen von Kunst als freier, interesseloser Tätigkeit.
Die interessante Formel des Spieles als etwas, das "nicht so gemeint" ist, greift Robert Pfaller auf und entwickelt sie zu einem Kerntopos einer Theorie des Lustprinzips in der Kultur. Pfaller fragt, ob im Nahfeld bestimmter Konstruktionsmechanismen - in Pfallers Terminologie sind diese Mechanismen "Einbildungen ohne Eigentümer" - "jemand ,wirklich' und ,ganz' an etwas glaubt, oder vielleicht nur ,halb'." Es scheint für das Spielen wesentlich zu sein, eine Kulturtechnik ausführen zu können, die es ermöglicht, etwas "halb" zu glauben. Wenn wir diese Technik nicht beherrschen würden, müssten wir leiden, wenn wir in einem Computerspiel erschossen werden. Der geübte Gamer ist hingegen in der Lage, mit einem zufriedenen Grinsen festzustellen: "Jetzt bin ich tot!" Desgleichen der Musikhörer: Die Befindlichkeit, traurige Musik als traurig empfinden zu können, unterscheidet sich vom Gefühl lebensweltlicher Trauer. Stephen Davies stellt die Frage "Why listen to sad music if it makes us sad?"
(Vgl dazu: Mathias Fuchs, Spielräume als Wissenräume. In: Kunst und Spiel I, Kunstforum, Bd.176, Juni-August 2005, S.56-68)

Der französische Soziologe Roger Caillois (1913.1978) definierte die sechs fundementalen Regeln eines Spiels:
1 freiwillige Zusammenkunft der Spieler
2 Spielen ist unproduktiv
3 Räumlich und zeitlich begrenztes "Ereignis"
4 Durch Regelwerk festgelegter Ablauf
5 Man lebt während des Spiels in einer fiktiven Wirklichkeit
6 offener Ablauf und ungewisses Ende

Link: Spieltheorie und Experimentelle Wirtschaftsforschung

Literatur / Dokumentationen zur Game-Geschichte und Theorie
Mark Wolf / Bernard Perron (Hg.), The Video Game Theory Reader. Routledge GB 2003
Kunst und Spiel, Kunstforum, Bd.176, Juni-August 2005
Claus Pias, Computer Spiel Welten. München: Sequenzia Verlag 2002. (Download der Dissertation von 1999 als pdf)
Konrad Lischka, Spielplatz Computer. Kultur, Geschichte und Ästhetik des Computerspiels. Heidelberg: Heise 2002
"Games Odyssey". Vierteilige TV-Dokumentation zur Kulturgeschichte des Computerspiels, 2002 (http://www.3sat.de/specials/39261/index.html)

Links zu Game-Archiven, zur Game-Geschichte und Theorie:
Selectparks - art defining games http://www.selectparks.net
Ausführliche Literatur- und Linkliste zur digitalen Spielkultur: http://www.spielkultur.net/literatur.htm
Early arcade machines, the history of home consoles, and the history of the video game.
http://inventors.about.com/library/inventors/blcomputer_videogames.htm
Computerspiele Museum Berlin: http://www.computerspielemuseum.de
Game Studies. The international journal of computer game research. http://gamestudies.org